Analyse: USA fürchten ein Vakuum nach Assad
In Syrien bahnt sich eine Entscheidung an. Ob die Rebellen aber Demokratie bringen, ist ungewiss.
Washington/Damaskus. Selten hat Barack Obama so sehr gezaudert wie im Syrien-Konflikt. Seit Monaten wirkt die Weltmacht wie erstarrt. Hilflos schaut sie der Blockade Russlands und Chinas im UN-Sicherheitsrat zu. Untrügliches Zeichen der Unsicherheit: Seit Wochen taucht der Präsident beim Thema Syrien ab, lässt Außenministerin Hillary Clinton die in Washington herrschende Ratlosigkeit erklären.
Nach der großen Lähmung kommt jetzt langsam Bewegung auf. Während Syriens Machthaber Baschar al-Assad zum Großangriff auf Aleppo bläst, lässt Obama seinen Sprecher verkünden: „Assads Tage sind ganz sicher gezählt.“ Und Clinton redet demonstrativ von mehr Hilfe für die Rebellen — wenn auch nicht von Waffenhilfe. Das am häufigsten gebrauchte Wort aber heißt derzeit „Transition“ — Übergang. Jetzt gelte es, „mit der Opposition zusammenzuarbeiten, um einen Übergang vorzubereiten“, fordert Obamas Sprecher Jay Carney.
Nur mit der Opposition ist es so eine Sache. Es soll etwa 100 Rebellengruppen und -grüppchen geben, wird in Washington verbreitet — allein schon die schiere Zahl ist ein Alptraum. Es geht die Furcht um, dass einige dieser Gruppen ganz andere Ziele verfolgen als westliche Freiheit und Demokratie. Vor allem könnte Al Kaida nach einem Sturz Assads das Machtvakuum ausnutzen.
„Wenn Assad stürzt, würde das mehr militanten Islamisten Gelegenheit geben, im Herzen des Nahen Ostens eine neue Basis zu etablieren“, sagt der Experte Charles Lister von der Organisation Jane’s Terrorism and Insurgency Center. „Der zeitweise Mangel an staatlichen Strukturen würde militanten Islamisten-Anwärtern einen sicheren Hafen für ein Training verschaffen.“ Ganz ähnlich wie in Somalia, wo der Sturz eines Diktators Freiraum für islamistische Extremisten, Piraten und politisch undefinierbare Warlords bescherte.
Die Furcht vor Al-Kaida-Einfluss ist auch ein Grund, warum die USA vor Waffenhilfe zurückschrecken. Gebetsmühlenhaft wiederholte Clinton, dass es ausschließlich um „non-lethal aid“ gehe, also um Unterstützung, die die Lieferung von Waffen ausschließt. Das freilich kann vieles bedeuten: Medikamente, Lebensmittel, aber wohl eher Hilfen bei Kommunikation und Logistik.