Angeklagte vom 11. September verweigern Beteiligung
Fort Meade/Guantánamo (dpa) - Im „Jahrhundert-Verfahren“ um die Anschläge vom 11. September 2001 haben die fünf Angeklagten jegliche Beteiligung an der Verhandlung verweigert.
Bei der Anklageverlesung im Gefangenenlager Guantánamo Bay (Kuba) schwiegen Chalid Scheich Mohammed, der als Hauptdrahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 gilt, und seine mutmaßlichen Mitverschwörer am Samstag hartnäckig auf Fragen des Militärrichters James Pohl.
Bereits zuvor hatten es alle Angeklagten abgelehnt, die zur Übersetzung vom Englischen ins Arabische dienenden Kopfhörer zu tragen. Einer der Angeklagten, Ramzi Binalshibh, lenkte schon kurz nach Beginn der Prozedur die Aufmerksamkeit auf sich, indem er von seinem Stuhl aufstand und sich dann zum Gebet auf den Boden kniete. „Sie versuchen, uns (im Gefangenenlager) zu töten“, rief Binalshibh später zornig. „Vielleicht werdet ihr mich nicht wiedersehen.“
Schon zu Beginn des Verfahrens hatten auch mehrere Verteidiger das Thema Misshandlung und Folter angesprochen, das nach Experteneinschätzung im Prozess eine große Rolle spielen wird. Der 2003 in Pakistan gefasste Scheich Mohammed war zunächst in ein geheimes CIA-Gefängnis gebracht worden und dort laut Aufzeichnungen des Geheimdienstes 183 Mal dem „Waterboarding“ unterzogen worden, einem simulierten Ertränken. Damit sollten Aussagen erzwungen werden.
Experten gehen davon aus, dass das Hauptverfahren mit Zeugenaussagen und Beweisvorlage erst im kommenden Jahr beginnen wird. Vorher seien noch zahlreiche Anhörungen unter anderem über die Frage zu erwarten, welche Beweise zulässig seien.
Geständnisse unter dem Einfluss von Folter dürfen in den Militärtribunalen nicht verwendet werden. Mohammed hatte zwar auch später - nach seiner Überstellung ins Lager Guantánamo - in Anhörungen seine Rolle bei den Anschlägen vom 11. September und bei anderen Terroraktionen zugegeben. Aber Kritiker der Militärtribunale meinen, dass durch die vorausgegangene Folter das gesamte Verfahren „vergiftet“ worden sei und den Standards eines demokratischen Rechtsstaates widerspreche. Bereits im Vorfeld des Verfahrens hatten sich Verteidiger der Angeklagten auch darüber beschwert, dass ein Teil der Korrespondenz mit ihren Mandanten von Pentagon-Beauftragten gelesen worden sei.
Journalisten sowie Angehörige der Opfer der Anschläge konnten das Verfahren in Guantánamo sowie über Video auf dem US-Militärstützpunkt Fort Meade (US-Staat Maryland) verfolgen. Neben Mohammed und Binalshibh, der zur Hamburger Zelle um den Todespiloten Mohammed Atta gehörte, müssen sich Ali Abdel Asis Ali, Mustafa Ahmed al-Hausawi und Walid bin Attasch verantworten. Zu den Anklagepunkten zählen Terrorismus, Flugzeugentführung, Verschwörung, Mord, Angriff auf Zivilisten, vorsätzliche schwere Körperverletzung und Zerstörung von Eigentum. Bei den Anschlägen waren fast 3000 Menschen ums Leben gekommen.
Das Militärtribunal gegen die Fünf war schon einmal - im Jahr 2008 - angelaufen, damals noch unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush. Dann hatte sein demokratischer Nachfolger Barack Obama nach seinem Amtsantritt 2009 aber zunächst alle anhängigen Sondergerichtsverfahren in Guantánamo Bay ausgesetzt. Im vergangenen Jahr gab er grünes Licht für eine Wiederaufnahme, damit mussten die Verfahren ganz neu beginnen. Obama war allerdings mit seinem Vorhaben gescheitert, das Verfahren einem regulären Gericht in den USA zu übertragen.
Bei der ersten Anklageverlesung hatte Scheich Mohammed erklärt, dass er die Todesstrafe erhalten wolle. Es sei seit langem sein Wunsch, als Märtyrer zu sterben, sagte er als Wortführer der Mitangeklagten.
Diesmal zeigte Scheich Mohammed keine Reaktion, als ihn der Richter danach fragte, ob er mit seinen Anwälten zufrieden sei. „Ich glaube, Herr Mohammed wird es ablehnen, zum Gericht zu sprechen“, sagte sein Anwalt David Nevin. Das Verhalten Mohammeds habe auch damit zu tun, dass er während seiner Gefangenschaft gefoltert worden sei. Pohl machte klar, dass das Verfahren stattfinden werde - ob sich die Angeklagten aktiv daran beteiligten oder auch nicht.
Bin Attasch war als einziger an einen Stuhl gefesselt in den Gerichtssaal gebracht worden, nachdem er sich geweigert hatte, den Raum freiwillig zu betreten. Seine Anwälte machten geltend, er sei misshandelt worden. „Das muss angesprochen werden“, sagte ein Verteidiger. Pohl erklärte, die Angeklagten müssten erst einmal ihre Anwälte akzeptieren, bevor diese für sie sprechen könnten. Er ließ aber Bin Attasch Fesseln lösen - im Gegenzug zu dem Versprechen, dass sich der Angeklagte ruhig verhalten werde.