Bürgerrechtler Chen bangt um Ausreise

Peking (dpa) - Der chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng muss weiter um die von der Regierung in Aussicht gestellte Ausreise in die USA bangen.

Ohne Gewissheit, wann der 40-Jährige und seine Familie ausreisen können, reiste US-Außenministerin Hillary Clinton am Samstag nach vier Tagen aus Peking ab. Chen bekräftigte in einem „Spiegel“-Interview, sein Heimatland gemeinsam mit seiner Familie so schnell wie möglich verlassen zu wollen.

China hatte die schwere diplomatische Krise mit den USA am Vortag entschärft, indem angeboten wurde, dass Chen Guangcheng „wie jeder andere Staatsbürger“ eine Ausreise zum Studium beantragen könne. Doch bleiben die Zusagen unklar.

Die Universität von New York (NYU) bestätigte, den Dissidenten zum Studium an ihrer Rechtsfakultät eingeladen zu haben. Chen sagte dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“, er habe kein Interesse an einem Studium in China, das ihm Peking angeboten hatte. „Vergessen wir das, es ist sinnlos.“ Gleichzeitig beklagte er zu seiner Situation in China: „Es gibt so viele Unsicherheiten für mich, ich bin nicht frei.“

Menschenrechtler äußerten Skepsis über die Ausreisemöglichkeit. Das Versprechen erscheine „hohl, solange der chinesische Staat die größere Familie des Aktivisten festhält und Vergeltung an seinen Unterstützern übt“, erklärte Amnesty International. „Wir sind hoffnungsvoll, aber nicht sicher über den jüngsten Handel für Chen Guangcheng“, meinte Vizedirektorin Catherine Baber.

Der 40-Jährige war vor zwei Wochen aus 19 Monaten Hausarrest in seinem Heimatdorf in der Provinz Shandong in die US-Botschaft in Peking geflüchtet. Nach sechs Tagen verließ er die US-Vertretung unter Zusagen wieder, um mit seiner Familie vereint zu werden. Dann entschied er sich aber aus Angst um seine Sicherheit doch für die Ausreise. Sein Schicksal entwickelte sich zur größten diplomatischen Krise beider Länder seit einem Jahrzehnt. Clinton zeigte sich am Freitag dennoch „ermutigt“ von Chinas Zusage zu möglichen Lösung des Falls.

Chinesische Staatmedien zitierten allerdings am Samstag den höchsten Außenpolitiker Chinas, Staatsrat Dai Bingguo, der die USA davor warnte, sich unter dem Vorwand der Menschenrechte in innere Angelegenheiten einzumischen. Die Zensur versuchte, Diskussionen in den twitter-ähnlichen „Weibo“ im chinesischen Internet zu unterbinden. Die Suche nach Chen Guangcheng und seinen Spitznamen wie „Sonnenbrillenbruder“ oder nach US-Botschafter Locke war gesperrt.

Das Chaoyang Krankenhaus, wo Chen Guangcheng nach dem Verlassen der US-Botschaft wegen einer Fußverletzung behandelt wird, wurde von Sicherheitskräften in Uniform und Zivil abgeriegelt. Es gab Festnahmen von Unterstützern, bei denen die Polizei handgreiflich vorging. Zahlreiche ausländische Journalisten wurden zur Polizei einbestellt und verwarnt, nachdem sie am Hospital aufgegriffen worden waren. Ihnen wurde vorgeworfen, ohne Erlaubnis das Gelände betreten zu haben. Ihnen sei mit dem Entzug der Arbeitserlaubnis gedroht worden, berichtete der Auslandskorrespondentenclub in China (FCCC).

Ein Freund des Bürgerrechtlers, der Anwalt Jiang Tianyong, sei vor dem Hospital festgenommen und geschlagen, berichtete Amnesty. Nach seiner Freilassung am Freitag standen Jiang Tianyong und seine Familie unter Hausarrest.