Arabische Liga unterbricht Beobachtermission in Syrien
Kairo/Beirut (dpa) - Die Arabische Liga bricht den Einsatz ihrer Beobachter in Syrien wegen der Eskalation der Gewalt vorläufig ab. Wie am Samstag aus Diplomatenkreisen verlautete, sollen die Delegationen die Krisenherde verlassen und in Damaskus auf weitere Anweisungen warten.
In den vergangenen drei Tagen sind nach diesen Angaben bei Zusammenstößen zwischen Regierungstruppen und Opposition mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen. Vor der Entscheidung hatte sich der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, mit dem Leiter der Mission, Mohammed al-Dabi, beraten. Der sudanesische General hatte zuletzt eine dramatische Zuspitzung der Lage beklagt. Wie die Nachrichtenagentur dpa aus dem Umfeld der noch etwa 100 sich im Land befindenden Beobachter erfuhr, hatten sich die Teams wegen der andauernden Gewaltexzesse geweigert, weiterzuarbeiten. Die meisten Delegierten verließen demnach schon Freitag und Samstag nicht mehr ihre Hotels in Damaskus und warteten auf eine Entscheidung über einen Abzug.
Die Entsendung der arabischen Beobachter war bei den Gegnern des Präsidenten Baschar al-Assad von Anfang an umstritten. Der Einsatz verzögere ein internationales Eingreifen zum Schutz der Bevölkerung und könne die Gewalt nicht beenden, sagten sie.
Der Golf-Kooperationsrat (GCC) und die Türkei forderten Assad auf, alle für den arabischen Friedensplan gemachten Zusagen zu erfüllen. Damaskus müsse nun zu einer echten Zusammenarbeit bereit sein, verlangten die Teilnehmer einer gemeinsamen Außenminister-Konferenz in Istanbul. Dem Golf-Kooperationsrat gehören neben Saudi-Arabien auch Bahrain, Kuwait, Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate an.
Liga-Generalsekretär al-Arabi soll am Montag vom UN-Sicherheitsrat in New York zu dem Konflikt angehört werden. Dort wird er zusammen mit dem Syrienbeauftragten der Organisation, Katars Regierungschef Scheich Hamad bin Dschasim al-Thani, erwartet. Dieser Termin war schon vor der Unterbrechung des Einsatzes in Syrien geplant. Anschließend soll es ein neues Treffen der Arabischen Liga geben.
Auch der Syrische Nationalrat (SNC) will nach eigenen Angaben in New York vorsprechen und den Weltsicherheitsrat um Hilfe bitten. Eine Delegation werde am Sonntag aufbrechen, kündigten die Exilsyrer in Istanbul an. Die Opposition fordert schon seit geraumer Zeit eine Art Schutzzone für Aktivisten und Deserteure aus der syrischen Armee an der türkischen Grenze.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) setzt auf eine klare Reaktion des UN-Gremiums. Die Beratungen über eine Resolution sollten auf der Grundlage des bevorstehenden Berichts al-Arabis rasch und konzentriert zu Ende geführt werden, sagte er nach Angaben einer Ministeriumssprecherin. Er forderte demnach „alle, die bisher zögerlich waren, auf, sich der notwendigen und angesichts der Verschärfung der Situation überfälligen Resolution nicht länger in den Weg zu stellen.“
Am Donnerstagabend hatte der UN-Sicherheitsrat bereits über die Eskalation in Syrien beraten. In einem auf Vorstellungen der Arabischen Liga fußenden europäisch-arabischen Resolutionsentwurf werden politische Reformen und ein Ende der Gewalt gefordert. Russland ist mit dem Entwurf nicht zufrieden und die Beratungen sollen deswegen am Montag auf Expertenebene weitergehen.
Unterdessen werden in Syrien anscheinend mehrere Iraner von Rebellen festgehalten. Der Vize-Chef der Armee der syrischen Deserteure, Malek al-Kurdi, sagte der arabischen Zeitung „Al-Sharq Al-Awsat“ (Samstag), dass sieben Iraner in der Protesthochburg Homs festgenommen worden seien. Es handele sich um fünf Militärexperten und zwei Zivilisten. Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna hatte am Donnerstag über eine Entführung von elf Pilgern in Syrien berichtet. Die syrische Opposition wirft dem Iran vor, Assads Regime im Kampf gegen die Demokratiebewegung zu unterstützen.
Erneut gab es heftige Gefechte zwischen Regierungstruppen und Deserteuren aus der syrischen Armee, bei denen am Samstag landesweit mindestens 27 Menschen ums Leben kamen. Nach Angaben der oppositionellen syrischen Muslimbruderschaft lief in der Provinz Damaskus-Land ein hochrangiger Offizier zusammen mit 300 Soldaten seiner Einheit zu den Regime-Gegnern über.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden seit Beginn der Massenproteste in Syrien Mitte März mehr als 5600 Menschen getötet.