Athen bringt Sparpaket auf den Weg
Athen/Luxemburg (dpa) - Die griechische Regierung bringt ihr umstrittenes neues Sparpaket auf den Weg. Am Mittwochabend traf sich der parteilose Ministerpräsident Lucas Papademos mit den Spitzen der drei Regierungsparteien, um deren Unterstützung für den harten Sparkurs zu gewinnen.
Die Maßnahmen sollen möglichst bis Sonntag das Parlament in Athen passieren. Damit würde das pleitebedrohte Land nach zähen Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern die Bedingungen für weitere Milliardenhilfen erfüllen. Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, berief für diesen Donnerstagabend eine Sitzung der Euro-Finanzminister ein.
Nähere Angaben zum Programm machte er nicht. Juncker hatte die Sondersitzung zuvor von den Ergebnissen der Athener Gespräche abhängig gemacht. Laut Diplomaten wollen die Kassenhüter über das neue, 130 Milliarden Euro umfassende, Hilfsprogramm für Griechenland entscheiden. Ohne weitere Hilfen droht Griechenland im März die Pleite.
Erste Details aus dem Programm sickerten am Abend in Athen durch. Wie aus Berichten der griechischen Presse im Internet hervorgeht, müssen sich die Arbeitnehmer des Landes auf drastische Einschnitte einstellen. Demnach sollen alle Löhne in der Privatwirtschaft solange eingefroren werden, bis die Arbeitslosenquote von heute mehr als 19 Prozent auf 10 Prozent gefallen ist.
Bewegung zeichnete sich derweil bei den Verhandlungen über den dringend benötigten Schuldenschnitt ab. Die Europäische Zentralbank (EZB) soll nach Informationen des „Wall Street Journals“ nun bereit sein, zum griechischen Schuldenschnitt beizutragen. Weder die EZB noch die EU-Kommission wollten dies am Mittwoch kommentieren. In EZB-Kreisen hieß es indes, der „WSJ“-Bericht treffe nicht zu.
Diese widersprüchlichen Informationen sorgten für Irritationen an den Märkten. Am Aktienmarkt wurde auf Meldungen verwiesen, dass eine Beteiligung der Euro-Notenbanker am Schuldenschnitt EZB-intern höchst umstritten und deshalb keinesfalls in trockenen Tüchern sei.
Früheren Angaben des griechischen Finanzministers Evangelos Venizelos zufolge hingen die Verhandlungen mit den Privaten zuletzt an der Frage, ob EZB und nationale Notenbanken beim Forderungsverzicht mit ins Boot Steigen.
Nach den Beratungen von Papademos und den Parteichefs muss die Regierung das Sparpaket offiziell absegnen und dann dem Parlament vorlegen. Dort ist die Abstimmung voraussichtlich für diesen Sonntag vorgesehen.
Griechenland hängt bereits seit dem Frühjahr 2010 am internationalen Finanztropf. Damals wurden dem Land als erstem in der Eurozone Kredithilfen über 110 Milliarden Euro zugesagt, die sich aber bald als unzureichend erwiesen.
Würde Athen bis März keine weiteren Milliardenhilfen bekommen, wäre Griechenland pleite, denn am 20. März werden Staatsanleihen im Umfang von 14,5 Milliarden Euro fällig. Bis zur letzten Minute hatten Papademos und sein Finanzminister Venizelos mit den Finanzkontrolleuren der „Troika“ aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und EZB um letzte Details gerungen.
Im Mittelpunkt des Sparprogramms steht außerdem eine Senkung der Mindestlöhne. Der Mindestlohn soll den Informationen der griechischen Presse zufolge um 22 Prozent auf 590 Euro gesenkt werden, für junge Leute unter 25 Jahren soll die Kürzung noch drastischer ausfallen. Die Kappung des Mindestlohns ist eine Forderung der „Troika“ - und in Griechenland besonders umstritten. Von der Höhe des Mindestlohns hängen wiederum andere Leistungen ab, beispielsweise das Arbeitslosengeld.
Schließlich sollen die Renten der als reich geltenden Rentenkassen von Banken sowie Telefon- und Elektrizitätsgesellschaft um 15 Prozent reduziert werden. Die Regierung bekräftigte auch ihre Absicht, dass 150 000 Staatsbedienstete bis 2015 gehen sollen. Weitere Maßnahmen betreffen früheren Angaben zufolge Einschnitte im Gesundheitssektor, bei der Rüstung sowie die Kappung von Zuschüssen für Städte und Gemeinden. Insgesamt sollen 2012 weitere 4,4 Milliarden Euro eingespart werden. Aus Protest gegen das neue Sparprogramm hatten sich am Dienstag tausende Griechen an einem 24-Stunden-Streik beteiligt.
Parallel wird über einen freiwilligen Schuldenschnitt für Griechenland mit privaten Gläubigern wie Banken und Hedge-Fonds verhandelt. Griechenland hofft dabei auf eine Reduzierung des Schuldenberges um 100 Milliarden Euro. Ob diese Zahl zustande kommt, gilt aber als fraglich. Denn es ist unklar, ob sich alle Gläubiger zum Forderungsverzicht bereiterklären.
Größter öffentlicher Gläubiger ist die EZB. Sie hatte seit 2010 griechische Staatsanleihen aufgekauft, um den damals einsetzenden rapiden Kursverfall aufzuhalten. Dem „WSJ“ zufolge soll die EZB nun bereit sein, diese Anleihen zum niedrigen Kurs an den Euro-Rettungsfonds EFSF zu verkaufen. Der EFSF würde die Anleihen an Athen dann seinerseits zu einem Kurs deutlich unter dem Nennwert zurückgeben. Damit müsste Griechenland diese Anleihen nicht mehr zum vollen Wert zurückzahlen, die Schulden wären reduziert. EFSF-Vizechef Christophe Frankel sagte am Mittwoch in London, dass der EFSF „wahrscheinlich eine bedeutende Rolle“ beim geplanten Schuldenschnitt für Griechenland spielen werde.