Amokfahrt mit Lkw Attentat von Nizza gezielt vorbereitet - Hilfe durch albanisches Ehepaar?

Der Attentäter von Nizza hatte womöglich Helfer. Ermittler vermelden weitere Festnahmen. Er soll die Strandpromenade des Anglais gezielt ausgespäht haben.

Mit diesem Lastwagen hatte der 31-Jährige die Menschen ermordet.

Foto: Andreas Gebert

Paris (AFP). Der Attentäter von Nizza hat den Anschlag mit 84 Toten nach Erkenntnissen der Ermittler gezielt vorbereitet. Aus Justizkreisen hieß es am Sonntag, er habe die Strandpromenade mit dem gemieteten Lastwagen bereits Tage vorher ausgespäht. Womöglich hatte der 31-Jährige auch Helfer: Die Polizei gab zwei weitere Festnahmen bekannt. Dabei soll es sich um ein albanisches Paar handeln, das "logistische Unterstützung" geleistet haben könnte.

Die Ermittler befragten am Wochenende zahlreiche Zeugen und werteten Material aus, das in der Wohnung von Mohamed Lahouaiej-Bouhlel gefunden wurde. Dabei stellten sie fest, dass der Tunesier schon am 12. und 13. Juli die Strandpromenade von Nizza mit dem gemieteten 19-Tonner abfuhr, mit dem er dann am Nationalfeiertag in die feiernde Menge fuhr.

Zudem wurden ein Mann und eine Frau in Gewahrsam genommen. Den albanischen Staatsbürgern sowie einem weiteren Mann aus dem Umfeld des Täters wird vorgeworfen, dem Täter geholfen zu haben. Insgesamt waren am Sonntag sechs Menschen in Polizeigewahrsam. Die Frau des Tunesiers, von der er getrennt lebte, wurde nach Vernehmungen wieder freigelassen.

Die französische Regierung geht davon aus, dass sich der Attentäter von Nizza sehr schnell radikalisiert hat. Premierminister Manuel Valls äußerte sich erneut überzeugt, dass der Mann entgegen den Angaben vieler Zeugen Islamist gewesen sei. Er sagte der Zeitung "Journal du Dimanche", die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) rufe auch gezielt Einzeltäter zu Anschlägen auf, "die unseren Geheimdiensten unbekannt sind".

Die IS-Miliz hatte den Anschlag am Samstag für sich beansprucht und den Täter als "Soldaten" des IS bezeichnet. Die Erklärung wird jedoch von Sicherheitsexperten als vage eingeschätzt und enthält kein Täterwissen. Auch die französische Regierung hat keinen Beleg dafür, dass der Attentäter IS-Anhänger war.

Innenminister Bernard Cazeneuve nannte den Tunesier nach einer Sitzung des französischen Sicherheitskabinetts ein Beispiel für "Einzelpersonen, die empfänglich für die Botschaften des IS sind und äußerst gewaltsame Taten begehen, ohne notwendigerweise an Kämpfen teilgenommen zu haben oder ausgebildet worden zu sein".

Muslime in der Hochhaus-Siedlung im Norden Nizzas bestätigten, dass er nicht als praktizierender Muslim oder gar Islamist aufgefallen sei. Dort wohnte der Tunesier mit seiner Frau und seinen Kindern, bevor sich das Paar vor rund 18 Monaten trennte. Allerdings gaben bei Vernehmungen nun Zeugen an, Lahouaiej-Bouhlel sei doch religiös gewesen.

Bekannt war er vor allem für sein hitziges Temperament. Ein früherer Nachbar sagt, die Frau des Tunesiers habe sich nach einem gewalttätigen Streit von ihm getrennt. Danach habe der Vater von drei Kindern eine schwere Krise durchlebt. Er habe den Spielzeugbär seiner kleinen Tochter mit einem Messer aufgeschlitzt und die Matratzen in der Wohnung zerfetzt.

Ein anderer Bewohner des Viertels sagt, die Frau des Attentäters, eine freundliche und zurückhaltende Franko-Tunesierin, habe viel aushalten müssen. Ihr drittes Kind bekam sie nach Aussagen von Nachbarn nach der Trennung von ihrem Mann. Der Tunesier zog danach in ein vierstöckiges Gebäude in einem einfachen Viertel im Osten von Nizza.

Bewohner schildern ihn als einen einsilbigen Einzelgänger. Grüße habe er nicht erwidert. Er sei häufig in Shorts herumgelaufen, habe geraucht und Alkohol getrunken. Zudem habe er ein Faible für Muskeltraining gehabt. Mitglieder eines Fitnessclubs beschreiben ihn als "Angeber" und "Aufreißer".

Der Vater des Tunesiers, Mohamed Mondher Lahouaiej-Bouhlel, lebt in dem Ort Msaken bei der Hafenstadt Sousse im Osten Tunesiens. Er berichtet von psychischen Problemen seines Sohnes, von Depressionen. "Er wurde wütend, schrie, machte alles kaputt", sagte der Vater der Nachrichtenagentur AFP. Deswegen habe die Familie Ärzte konsultiert.

Der Vater hat nichts mehr von seinem Sohn gehört, seitdem dieser im Jahr 2005 Tunesien verließ und nach Frankreich auswanderte. Dort lebte er jahrelang unauffällig und arbeitete als Lieferfahrer. Den Geheimdiensten fiel er weder als Islamist noch als Gefährder auf. Polizeibekannt wurde der 31-Jährige erst ab dem Jahr 2000 durch eine Reihe kleinerer Delikte wie Diebstahl.

Im März wurde der Tunesier wegen eines gewaltsamen Streits nach einem Autounfall zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Was genau ihn nun zu seiner Greultat verleitete, ist unklar. Die Ermittler stehen weiter vor einem Rätsel.

Der Täter hatte am Donnerstagabend während der Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag in Nizza einen Lastwagen in die Menge gelenkt und mindestens 84 Menschen getötet. Mehr als 80 Menschen wurden am Sonntag noch in Krankenhäusern behandelt, rund 18 von ihnen schwebten nach Angaben des französischen Gesundheitsministeriums in Lebensgefahr.

Auf der Strandpromenade in Nizza legten zahlreiche Menschen Blumen und französische Flaggen nieder. In Gottesdiensten wurde der Toten gedacht. Die Promenade des Anglais ist inzwischen wieder für Fußgänger geöffnet. Am Montag soll sie auch für Autos freigegeben werden.

In Frankreich gilt noch bis einschließlich Montag eine dreitägige Staatstrauer. Für Montagmittag ist eine landesweite Schweigeminute geplant.