Ben Ali, Mubarak — jetzt Gaddafi?
Tausende Demonstranten liefern sich Schlachten mit der Polizei.
Tripolis. Springt der Funke der Revolution nun von Tunesien und Ägypten auf den Nachbarn Libyen über? Sicher ist jedenfalls, dass es auch im Ölreich von „Revolutionsführer“ Muammar al-Gaddafi (68) heftig brodelt.
In der zweitgrößten Stadt des Wüstenstaates, dem östlich der Hauptstadt Tripolis liegenden Benghazi, lieferten sich tausende Demonstranten und die Polizei stundenlange Straßenschlachten. Dutzende Menschen sollen verletzt worden sein. Heute dürften die Auseinandersetzungen weitergehen: Die Opposition rief via Internet zu Massendemonstrationen gegen das Gaddafi-Regime auf. „Es reicht“, lautet das Motto für den „Tag des Zorns“ in Libyen. „Wir werden unseren Kampf für die Freiheit beginnen.“
Gaddafi, seit 42 Jahren an der Macht, drohte derweil allen, die „Chaos“ säen wollten, mit harten Konsequenzen. „Wir wollen Freiheit“, riefen die Menschen in Benghazi. „Schluss mit der Korruption.“ Sie versammelten sich zunächst vor einer Polizeiwache, wo der Menschenrechtler Fathi Tarbel vorübergehend festgehalten wurde. Jener Mann, der seit 15 Jahren für die Aufklärung des Massakers im Abu-Slim-Gefängnis in Tripolis kämpft. 1996 hatte die Polizei in den Kerkern einen Aufstand gegen die inhumanen Haftbedingungen zusammengeschossen: Rund 1200 Tote soll es damals gegeben haben.
Menschenrechtsgruppen berichten derweil, dass Libyens Geheimpolizei Blogger und Bürgerrechtler verhaftet habe. Allerorten ist spürbar, dass Gaddafi besorgt ist, dass es auch in seinem Land, in dem er bisher unangefochten herrscht, nervös wird. Gaddafi versuchte bisher vergebens, die seit Wochen aufflammenden Unruhen zu ersticken: Er hatte bereits im Januar angeordnet, Steuern und Zölle auf die auch in Libyen immer teureren Lebensmittel zu eliminieren.
Zudem gelobte er, umgerechnet 17 Milliarden Euro für ein Infrastruktur-Programm in der unterentwickelten Provinz locker zu machen. An Geld mangelt es Gaddafi nicht. Sein Wüstenstaat ist Dank der unermesslichen Erdöl- und Gasvorkommen der reichste Nachbar der ganzen nordafrikanischen Region.