BND gibt Handydaten weiter - Hilfe für gezielte Tötungen bestritten
Berlin (dpa) - Der Bundesnachrichtendienst gibt seit Jahren Handynummern von Terrorverdächtigen an die USA weiter, bestreitet aber eine mögliche Beihilfe an gezielten Tötungen durch US-Drohnen.
Mit den weitergeleiteten Daten sei eine zielgenaue Ortung eines Verdächtigen nicht möglich, argumentiert der deutsche Auslandsgeheimdienst. Die SPD verlangt von der Bundesregierung eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) erklärte, die Weitergabe von Mobilfunknummern terrorverdächtiger Personen an ausländische Geheimdienste sei rechtmäßig: „Diese Übermittlungspraxis gibt es im BND seit etwa 2003/2004.“ Angaben der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) und des NDR-Magazins „Panorama“, BND-Präsident Gerhard Schindler habe diese Praxis eigens angeordnet, seien unzutreffend.
Die bei der Auslandsaufklärung gewonnenen und weitergereichten GSM-Mobilfunknummern sind nach BND-Darstellung „für eine zielgenaue Lokalisierung nicht geeignet“. Experten vermuten dagegen, dass solche Daten beim Einsatz von Kampfdrohnen zum Beispiel in Afghanistan, Pakistan oder Somalia zur gezielten Tötung durchaus genutzt werden können. Wenn Daten über einen längeren Zeitraum erhoben würden, seien sie nützlich, um Personen zu orten, sagte der Hamburger Informatikprofessor Hannes Federrath der „SZ“.
Die Zeitung erwähnte in diesem Zusammenhang die Tötung eines deutschen Terrorverdächtigen in der pakistanischen Region Waziristan durch einen US-Drohnenangriff 2010. Zuvor sollen deutsche Behörden dessen Handynummer und die seiner Freunde an die Amerikaner weitergeleitet haben.
Nach BND-Angaben erfolgt die Übermittlung von Mobilfunknummern an nicht genannte Partnerdienste auf der Grundlage des BND-Gesetzes. Dabei werde die Weitergabe der Daten an die Bedingung geknüpft, dass auf ihrer Grundlage nicht gefoltert werde oder eine Verurteilung zum Tode erfolge. Die Daten würden nicht weitergegeben, wenn die „schutzwürdigen Interessen der/des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen“.
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, fordert von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier Aufklärung, ob er als Kanzleramtschef über die Weitergabe von Handynummern informiert war. Notfalls müsse der Generalbundesanwalt tätig werden, sagte Riexinger „Handelsblatt Online“. Die genannten Daten-Übermittlungen durch den BND sollen zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung begonnen haben.
Zugleich wurde am Wochenende bekannt, dass der US-Geheimdienst NSA nach einem „Spiegel“-Bericht Deutschland und die EU intern ausdrücklich als Spionageziele aufführt. Dies gehe aus einer Geheimliste mit nachrichtendienstlichen Prioritäten hervor, über die der Geheimdienst-Enthüller Edward Snowden verfüge, berichtete das Magazin. Demnach rangiert Deutschland auf der Skala von 1 (höchstes Interesse) bis 5 (niedrigstes Interesse) im Mittelfeld, etwa auf einer Ebene mit Frankreich und Japan, aber vor Italien und Spanien. Zu den Topzielen zählen demnach China, Russland, Iran, Pakistan, Nordkorea und Afghanistan.
Die Beziehungen der Geheimdienste beschäftigen die deutsche Politik im Wahlkampf weiter. Am Montag sagt Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) erneut vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Spähaffäre rund um den US-Geheimdienst NSA aus. Der Vorsitzende des Gremiums, der SPD-Politiker Thomas Oppermann, will von Pofalla auch wissen, welche mögliche Rolle der BND bei Drohnen-Angriffen spielt. „Es wäre schlimm, wenn der BND zu solchen Tötungen beiträgt“, sagte Oppermann am Samstag in Berlin. Die Regierung müsse sich dazu äußern, „ob die Vorwürfe stimmen und ob es zu gezielten Tötungen aufgrund der Daten des BND seit dem neuen Erlass des Innenministeriums in 2010 gekommen ist“.
Die Vereinbarung zwischen BND und NSA von 2002 hat laut Medienbericht eine grundlegendere Bedeutung als bisher bekannt. Das Memorandum habe die Grundlage dafür gelegt, dass die Dienste Daten in größerem Umfang austauschen und technische Ausrüstungen gemeinsam betreiben können. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ unter Bezug auf Sicherheitskreise. Es handele sich um ein Grundlagenabkommen, das über längere Zeit von beiden Diensten erarbeitet worden sei. Das „offene Abkommen“ sei 2004 unter der rot-grünen Regierung ergänzt worden.