China: Erneut Bürgerrechtler zu langer Haft verurteilt
Peking (dpa) - Zum dritten Mal in einem Monat ist ein chinesischer Regimekritiker zu einer ungewöhnlich hohen Haftstrafe verurteilt worden. Zehn Jahre Haft verhängte ein Volksgericht in Wuhan (Provinz Hubei) gegen den Bürgerrechtler Li Tie.
Wegen seiner Kritik an der chinesischen Regierung und seinen Forderungen nach Demokratie wurde dem 49-Jährigen „Untergrabung der Staatsgewalt“ vorgeworfen, wie die Menschenrechtsorganisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD) am Donnerstag aus Hongkong berichtete.
Erst Ende Dezember waren die beiden Bürgerrechtler Chen Wei und Chen Xi unter ähnlicher Anklage zu neun beziehungsweise zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Urteile seien ein Beweis für die Angst der chinesischen Behörden, dass der Funke der demokratischen Volksaufstände im arabischen Raum auch nach China überspringen könnte, meinte CHRD-Direktorin Renée Xia.
Als Beweise für die angeblich umstürzlerischen Aktivitäten von Li Tie seien seine kritischen Artikel angeführt worden, die er im Internet veröffentlicht habe, berichtete CHRD. Auch seien ihm die Teilnahme an Online-Diskussionen auf prodemokratischen ausländischen Webseiten und „reaktionäre“ politische Kommentare bei Treffen mit anderen Aktivisten und Freunden angelastet worden.
Das Urteil wurde erst neun Monate nach dem Prozess gegen Li Tie im April 2011 verkündet. Im vergangenen Frühjahr waren die Behörden auch mit Festnahmen und Hausarrest von Dissidenten und Rechtsanwälten scharf gegen die Aufrufe zu „Jasmin-Protesten“ in China vorgegangen, mit denen politische Reformen gefordert werden sollten. Der Aktivist Li Tie war daran nicht einmal beteiligt, weil er schon seit September 2010 in Haft sitzt.
Vor Gericht erklärte sich Li Tie laut CHRD für unschuldig. Seine Worte und Taten hätten sich im Rahmen der chinesischen Verfassung bewegt, die das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiere, habe der Bürgerrechtler gesagt. Der Staatsanwalt habe trotzdem argumentiert, Li Ties Artikel und Äußerungen zeigten „regierungsfeindliche Gedanken“. So müsse angenommen werden, dass er in Aktionen gegen die Regierung verwickelt sei, womit die Anklage wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ begründet werde, hieß es.