China setzt Korrespondenten massiv unter Druck

Peking/Bratislava/Berlin (dpa) - Die chinesische Polizei setzt ausländische Korrespondenten massiv unter Druck. Ihre Arbeitsmöglichkeiten werden drastisch eingeschränkt. Bevor sie ihrer Berichterstattung nachgehen, müssen die Journalisten künftig eine Erlaubnis einholen.

Ansonsten drohen ihnen Inhaftierung und Ausweisung. Dahinter steht die Angst der kommunistischen Führung in Peking vor einem Überschwappen der „Jasmin-Proteste“ aus der arabischen Welt.

Außenminister Guido Westerwelle verurteilte das Vorgehen und verlangte die „ungehinderte und freie“ Berichterstattung für die im Land akkreditierten deutschen Journalisten. „„Alle Aktionen, die der Einschüchterung dienen, werden von uns in klarer Form kritisiert“, sagte er am Donnerstag bei einem Besuch in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Nach seinen Angaben hat der deutsche Botschafter in Peking gegenüber der chinesischen Regierung die Sorgen der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht.

Als „nicht hinnehmbar“ bezeichnete die SPD den massiven Druck auf die Journalisten. „Offenbar herrscht in Peking Angst vor dem Jasmin-Virus“, sagte Vize-Fraktionschef Gernot Erler am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa.

Chinesische Menschenrechtsgruppen verurteilten die „Eskalation der Zensur“ und die „massive Unterdrückung“ auch von Aktivisten als Reaktion auf Protestaufrufe. Das Außenministerium in Peking verteidigte den neuen Umgang mit ausländischen Journalisten. „Es ist keine Veränderung, kein Rückschritt. Es ist nur ein Schritt vorwärts“, sagte die Sprecherin Jiang Yu vor der Presse in Peking. „Örtliche Behörden haben detaillierte Vorschriften zur Umsetzung der Regeln gemacht.“

In Belehrungen, zu denen in dieser Woche Dutzende ausländische Journalisten in Peking und Shanghai einbestellt wurden, erläuterte die Polizei, eine Genehmigung sei künftig „an jedem Ort, überall in China“ erforderlich. Selbst Interviews in der Nachbarschaft müssten vorher mit den zuständigen Stellen abgesprochen sein.

Nach dem teils gewaltsamen Vorgehen von Polizisten in Uniform und Zivil gegen Reporter am Sonntag in der traditionellen Einkaufsmeile Wangfujing unterstellte Sprecherin Jiang Yu einigen den Versuch, „ein Held sein zu wollen und selbst Nachrichten zu produzieren“. Bei dem brutalen Polizeieinsatz wurden drei Journalisten verletzt - einer schwer, weil ihm mehrfach ins Gesicht getreten wurde. Reporter von mindestens 16 Medien wurden festgenommen, verprügelt, misshandelt oder kritisierten, dass ihr Material vernichtet wurde.

Die Einkaufsstraße in Peking wie auch das Gebiet um das Peace Cinema in Shanghai, dem Schauplatz von Protestaktionen am Wochenende, wurden zu Sonderzonen erklärt. Die Kontroversen und die scharfen Sicherheitsvorkehrungen überschatten die Vorbereitungen für die Jahrestagung des Volkskongresses, die am Samstag in Peking beginnt. Zahlreiche Bürgerrechtler sind bereits festgenommen, unter Hausarrest gestellt, eingeschüchtert oder verschleppt worden.

Aktivisten bewegten sich in einem „feindlichen und gefährlichen Umfeld“, berichtete die in Hongkong ansässige Organisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD) in ihrem Jahresbericht. Dokumentiert wurden 3544 willkürliche Inhaftierungen, 118 Fälle von Folter und 36 Verschleppungen. „Das Regime reagiert wieder einmal mit einer neuen Welle massiver Unterdrückung, die auf jene Aktivisten zielt, die nach einer „Jasmin-Revolution“ rufen“, sagte CHRD-Direktorin Renee Xia. „Die internationale Gemeinschaft muss mehr tun.“

Die Lage habe sich seit der Verleihung des Friedensnobelpreises im Oktober an den inhaftierten Bürgerrechtler Liu Xiaobo verschlechtert. Schon nach der Auszeichnung waren auch Korrespondenten gewarnt worden, in ihrer Berichterstattung nicht zu weit zu gehen. Es wurde damit gedroht, die Akkreditierung nicht zu verlängern. Mit der verschärften Interpretation der Vorschriften gehen die Behörden jetzt allerdings noch eine Stufe weiter.

„Wer gut mit den Behörden kooperiert, sollte keine Schwierigkeiten bekommen“, sagte die Außenamtssprecherin. Ob die Berichterstattung zugelassen werde, hänge von der Situation und „der Beurteilung durch die örtliche Polizei ab“. Bisher war kein Vorabanruf und keine Genehmigung nötig. Es reichte die Zustimmung des Interviewten.