Neues Papst-Buch: Zweifelnd auf der Suche nach Gott
Freiburg (dpa) - Für den Freiburger Verleger Manuel Herder ist das neueste Werk seines langjährigen Autors etwas Herausragendes. „Es ist das Buchereignis des Jahres 2011“, sagt Herder.
Das Besondere daran: Der zweite Teil des Werkes „Jesus von Nazareth“ stammt aus der Feder des amtierenden Papstes. Er hat es selbst geschrieben. Benedikt XVI. hat sich zwei Jahre lang jede Woche eine Auszeit genommen, um daran zu arbeiten. Er hat sich in dieser Zeit völlig zurückgezogen und mit Bleistift seine Gedanken niedergeschrieben. Das knapp 360 Seiten umfassende Werk gibt damit einen direkten Einblick in den Glauben und das Denken des katholischen Kirchenoberhaupts.
Herder hat das Originalmanuskript des Heiligen Vaters gelesen. Das, was er gesehen hat, begeistert ihn. „Erstmals erfahren wir als Leser ungefiltert, wie der Papst arbeitet, welche Überzeugungen und Fragen er hat, welche wissenschaftlichen und religiösen Themen ihn bewegen“, sagt Herder. „In beeindruckender Weise lässt der Papst Anteil nehmen an seiner ganz persönlichen Suche nach dem Wesen Gottes.“ Das Buch sei keine theoretische Abhandlung, sondern eine sehr persönliche Betrachtung des Glaubens. „Der Papst referiert den Glauben nicht, sondern er erklärt ihn.“
Das Buch wird in Deutschland mit einer Auflage von 150 000 Exemplaren starten. Es kommt zeitgleich in acht Sprachen auf den Markt. Die Resonanz ist schon jetzt gewaltig, sagt Herder. „Viele Menschen, die Antworten auf die großen Glaubensfragen suchen, warten auf dieses Buch.“
„Für unser Haus ist dieses Buch ein Höhepunkt“, sagt Herder. Der Freiburger Verlag arbeitet bereits seit fast 55 Jahren mit dem heutigen Papst zusammen. Am 8. November 1956 hat Joseph Ratzinger bei Herder seinen ersten Autorenvertrag unterschrieben. Seither haben die Freiburger mehr als 50 Papst-Bücher verlegt.
Einen Papst-Bestseller hat Herder zuletzt vor drei Monaten auf den Markt gebracht. Von dem Interview-Buch „Licht der Welt“ von Peter Seewald mit Benedikt XVI. sind in Deutschland seit dem Erscheinen Ende November bereits mehr als 200 000 Exemplare verkauft worden. In die Schlagzeilen kam das Buch nach Äußerungen des Papstes zum Benutzen von Kondomen.
In dem nun erscheinenden Buch „Jesus von Nazareth“ beschäftigt sich Benedikt XVI. nach Angaben des Vatikans mit Leiden, Tod und Auferstehung Jesu. „Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung“ lautet der Untertitel des Buches, das sich auf den Zeitraum von Ostern bis Pfingsten konzentriert. Das Kirchenoberhaupt behandelt theologische Grundsatzfragen. Mit dem Tod und der Auferstehung Jesu beleuchtet der 83-Jährige das Herzstück des Christentums. Warum musste Jesus sterben? Was heißt Auferstehung? Und was heißt das für uns? Mit Jesus widmet sich der Papst der zentralen Figur und damit dem Kern des katholischen Glaubens.
„Für mich äußerst beeindruckend ist, dass Benedikt XVI. seine Rolle als Papst neu definiert und als Glaubenslehrer auftritt“, sagt Herder. „Er tritt aus der mit dem Amt verbundenen Rolle des Unfehlbaren heraus, lässt auch Zweifel erkennen und er stellt sein Glaubensverständnis zur Debatte.“ Bereits im ersten Jesus-Band habe der Papst seine Leser zur Diskussion aufgerufen und dazu ermuntert, ihm im Zweifel zu widersprechen. Dies gelte auch für das neue Buch.
Der Verlag hat dies erfahren. „Unser Lektor konnte das Manuskript des Papstes genauso behandeln wie die Texte jedes anderen Autors“, sagt Herder. „Der Papst ist in der Zusammenarbeit ebenso unkompliziert wie seinerzeit Joseph Ratzinger.“ Viel zu ändern gab es nicht. Die Texte, sagt der Verleger, seien derart hochwertig und überzeugend, dass die Arbeit am Manuskript eine Freude war.“
„Dieses Buch zeigt, dass der amtierende Papst ein großer Theologe und zugleich ein herausragender Wissenschaftler ist“, sagt Herder. Der Pontifex arbeite wissenschaftlich, zeige aber auch seine menschliche Seite. Er lässt seine Leidenschaft erkennen. „Glaube ist eine sehr persönliche Sache. Das erfahren wir in diesem Buch vom Papst.“ Wer auf schnelle Schlagzeilen hoffe, werde enttäuscht. Das Buch reiche über den Tag und damit über aktuelle Debatten hinaus, sagt Herder.
Das erste Jesus-Buch war im April 2007 zum 80. Geburtstag Benedikts erschienen und schon in der ersten Woche auf die Bestsellerlisten gekommen. Es hat sich in Deutschland seither mehr als 500 000 Mal verkauft. Angefangen, das erste Buch zu schreiben, hatte Ratzinger in seiner Eigenschaft als Kurienkardinal und Chef der Glaubenskongregation. Die letzten Kapitel hatte er vollendet, als er bereits Papst war. Das erste Jesus-Buch beschäftigte sich unter anderem mit der Darstellung Jesu in der Bibel.
Der zweite Band sollte ursprünglich im Frühjahr 2010 auf den Markt kommen. Doch das Vorhaben des Papstes, den zweiten Band, an dem er zwei Jahre intensiv gearbeitet hat, im Sommer 2009 fertigzustellen und dem Verlag zu übergeben, wurde durch einen Unfall vereitelt. Der Pontifex hatte sich bei einem Sturz in seinem Ferienhaus im Aostatal das rechte Handgelenk gebrochen. Mit Hilfe eines Diktiergerätes vollendete er den Text schließlich im vergangenen September.