Das Elend an der EU-Grenze

Die Griechen wollen nun einen kürzeren Zaun bauen. Deutsche Beamte sind sauer.

Düsseldorf. Die griechische Regierung hat offenkundig von ihrem Plan Abstand genommen, entlang der Grenze der Türkei einen 206 Kilometer langen Zaun zur Abwehr von Flüchtlingen zu errichten. Nach massiven Protesten aus dem In- und Ausland ruderte nun Bürgerschutzminister Christos Papoutsis zurück. Der Zaun werde nur 12,5 Kilometer lang sein und entlang des Grenzflusses Evros errichtet, sagte er am Montag. Doch das eigentliche Problem ist immer noch ungelöst: der massive Zustrom von Flüchtlingen und der Umgang mit ihnen.

Griechenland ist mit der Situation völlig überfordert: Mindestens eine Million Illegale leben in dem Land, das gerade seine schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt. Alleine in den ersten Monaten des vergangenen Jahres sind mehr als 50 000 Flüchtlinge über die griechisch- türkische Grenze gekommen — nach Griechenland, damit vor allem aber in die EU. Denn das ist das Ziel der Afghanen, Somalier, Iraker und Iraner, die von Schlepperbanden an die Grenze geführt werden. Seither Italien mit einer besseren Abschottung zur See seine Grenzen dicht gemacht hat, ist Griechenland das große Schlupfloch der Gemeinschaft.

Um es zu schließen, hat die EU seit Herbst 200 Beamte der Schutztruppe Frontex entsandt, darunter 40 Deutsche. Das Verhältnis zu den Griechen ist schwierig, die Deutschen sind entsetzt über die Verhältnisse in den Lagern — selbst Kinder müssen oft auf dem nackten Betonboden schlafen, es gibt kaum sanitäre Anlagen. Bei manchen Aufträgen haben die Deutschen die Zusammenarbeit eingestellt, das Bundesinnenministerium machte Druck bei den Griechen, die Situation zu verbessern.

Bei Menschenrechtsorganisationen gibt es Berichte über griechische Grenzer, die Flüchtlinge wieder zurück in die Türkei jagen — zum Teil durch Minenfelder. Das wären massive Verstöße gegen internationale Abkommen. Die Frontex-Beamten weisen niemanden zurück, nehmen aber die Personalien auf. Was für die Neuankömmlinge zumindest eine kleine Chance bedeutet, denn nun sind sie registriert. „Jemanden, den es gar nicht gibt, der unerkannt einreist, kann man ja umso leichter ausbeuten“, sagte der Leiter des deutschen Frontex-Kontingents, Gennaro di Bello aus Wuppertal.

Doch die wenigsten Flüchtlinge geben ihre Identität preis. Denn steht ihr Heimatland fest, können die Behörden sie womöglich ganz schnell wieder abschieben. Bei denjenigen, bei denen die Herkunft feststeht, gibt es erst einmal eine Genehmigung, sich für 30 Tage in Griechenland aufzuhalten. Und das nutzen die meisten, um unterzutauchen: In Athen, wo viele auf die Chance warten, in den reichen Norden der EU zu kommen.