Die Briten gehen auf Distanz zur EU
Regierung will möglichst viele an Brüssel ausgelagerte Kompetenzen zurückholen.
London. Neue Machtprobe in der Downing Street: Im zähen Ringen um den nächsten EU-Haushalt trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in London den britischen Premierminister David Cameron. Die diplomatischen Samthandschuhe sind in diesem Dauerzoff um Europas Zukunft zwar längst im Ärmelkanal gelandet, doch was wollen die Briten eigentlich konkret? Eine Antwort auf diese Frage kristallisiert sich nun allmählich heraus.
Nachdem Cameron den letzten EU-Gipfel mit einem Veto blockiert hat, beginnt nun abermals die Zeit des Fürchtens. Am 22. und 23. November sollen die Mitgliedsstaaten eine Erhöhung des EU-Budgets bis 2020 auf insgesamt 1,03 Billionen Euro absegnen. Und Cameron hat bereits deutlich gemacht, was er davon hält: nichts.
Das selbstbewusste Ausscheren der Briten ist nur ein Aspekt ihrer neuen Haltung zu Europa. „Wir wollen weiterhin eine wichtige Rolle spielen“, umriss Außenminister William Hague die Konturen der neuen Position, „doch ich muss auch ehrlich sein: Die Desillusionierung der britischen Öffentlichkeit über die EU ist so groß wie nie zuvor.“
Der in Brüssel favorisierten Vision von den Föderalen Staaten von Europa, also einem politisch noch enger verzahnten Kontinent, stellen die Briten jetzt ihre Idee eines Europas mit „variabler Geometrie“ gegenüber. Heißt: weniger, statt mehr Zentralisierung und Kooperation nur in Bereichen, in denen es nutzt, und nur mit Akteuren, die sich freiwillig anschließen.
Verhandelbar ist die britische Position von „weniger Europa“ in Brüssel nicht, weshalb London von 2013 an die allmähliche Loslösung von der EU prüfen will. 130 Bereiche, in denen die Regierung in Westminster ihre Entscheidungsbefugnisse an Brüssel delegiert hat, sollen auf den Prüfstand — darunter EU-weite Regelungen zu Arbeitszeit, grenzüberschreitender Polizeiarbeit und Besteuerung.
Ziel der Konservativen ist, so viele Kompetenzen wie möglich zurück ins britische Unterhaus zu holen. Mit dem Versprechen eines Referendums zum Verbleib Großbritanniens in der EU könnte Cameron 2014 schließlich in den Wahlkampf ziehen.