Die Krim ist ein Pulverfass
Russen und Tataren kämpfen um „ihre“ Halbinsel. Viele in Moskau sehen die Chance gekommen, sie zurückzubekommen.
Kiew. Auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim braut sich ein gefährlicher Sturm zusammen. Bewaffnete pro-russische Kräfte besetzen in Simferopol das Parlament der Autonomen Krim-Republik. Es gibt erste gewaltsame Auseinandersetzungen. Eine Frau wird totgetrampelt. Ein Mann stirbt an einem Herzinfarkt, als russische Kosaken mit Tataren aneinandergeraten. Von Dutzenden Verletzten und erhöhter Alarmbereitschaft ist die Rede. Die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol trifft zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen.
Die seit Jahrhunderten umkämpfte Halbinsel wird wieder einmal ihrem Ruf als Pulverfass gerecht. Es kann jederzeit explodieren. Zwar beteuern Offizielle in Moskau, sich nicht einmischen zu wollen. Aber in Scharen geben sich prominente russische Politiker seit Tagen auf der Krim ein Stelldichein.
Die Nato ist besorgt angesichts der hochkochenden Emotionen. Schon werden Warnungen des Westens laut, die geschwächte Ukraine dürfe nicht zerfallen. Russland hält sich mit Friedensappellen zurück. Kremlchef Wladimir Putin schickt stattdessen Panzer, Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge. Der neue ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk warnte: „Die Krim ist, war und wird ein Teil der Ukraine sein.“
Tief sitzt bis heute der Ärger in Moskau darüber, dass der damalige Kremlchef Nikita Chruschtschow 1954 die Halbinsel an seine ukrainische Heimat verschenkte. Brandgefährlich sei die Lage, warnen ukrainische Experten. „Man muss begreifen, dass die Krim sich einen halben Schritt vor der Entfesselung eines vollständigen Bürgerkrieges befindet. 300 000 Krimtataren werden niemals die Errichtung eines russischen Protektorats auf der Krim zulassen“, sagte der Politologe Taras Beresowez. Einst hatte der Sowjetdiktator Josef Stalin die Volksgemeinschaft nach Zentralasien deportieren lassen.