Druck auf Iran wächst - Militärschlag erwogen
Berlin (dpa) - Die Weltgemeinschaft ist weiterhin gespalten, wie sie im Atomstreit mit dem Iran vorgehen soll. Angesichts der Spekulationen um einen möglichen israelischen Luftschlag gegen iranische Atomanlagen wollen die USA und Deutschland mit Sanktionen den diplomatischen Spielraum ausreizen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vermied es in einem Interview allerdings, einer internationalen Militärintervention gegen den Iran eine klare Absage zu erteilen. US-Verteidigungsminister Leon Panetta warnte vor den „unbeabsichtigten Konsequenzen“ eines Angriffs. Ein militärisches Vorgehen gegen Teheran sollte nur der letzte Ausweg sein.
Die Internationale Atomenergiebehörde hatte am Dienstag einen alarmierenden Bericht veröffentlicht, wonach der Iran zumindest bis 2010 an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet hat. Israel betrachtet das iranische Atomprogramm als existenzielle Bedrohung.
Für Kanzlerin Merkel stehen Sanktionen an erster Stelle. „Es gibt eine ganze Reihe von Ländern auf der Welt, die militärische Optionen aus sehr grundsätzlichen Erwägungen nicht ausschließen“, sagte Merkel der „Leipziger Volkszeitung“ (Samstag). Sie wünsche sich aber, „dass wir die diplomatischen Spielräume ausreizen und dazu kann Deutschland seinen Beitrag leisten.“
Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon setzt auf Diplomatie. „Ich glaube fest daran, dass Verhandlungen und nicht militärische Lösungen der einzige Weg sind, diese Angelegenheit zu klären“, sagte Ban in New York. Er nahm die Führung in Teheran in die Pflicht, die friedliche Natur ihres Atomprogrammes zu beweisen.
Der iranische Atomunterhändler Ali Bageri sagte nach Gesprächen in Moskau, die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen. Insbesondere die USA würden „allerlei Gerüchte in Umlauf bringen“.
70 Prozent der Deutschen stufen nach einer N24-Emnid-Umfrage die atomare Aufrüstung des Irans als „ernsthafte Gefahr“ ein. Nur ein Viertel der Befragten hält das Risiko für überschätzt. Allerdings fordern 83 Prozent, Deutschland solle sich im Kriegsfall neutral verhalten. Nur 16 Prozent meinen, Deutschland solle Israel gegen den Iran militärisch unterstützen.
Russland sieht weiterhin keinen Handlungsbedarf. Inmitten einer schärfer werdenden Diskussion über das iranische Atomprogramm erklärte sich Russland zudem grundsätzlich bereit, weitere Reaktoren im Iran zu bauen. Zugleich teilte das Außenministerium in Moskau mit, dass China und Russland gemeinsam für eine Verhandlungslösung mit dem Iran eintreten werden.
Merkel bedauerte, dass sich China und Russland noch gegen weitere Sanktionen sperren. „Ich denke, hierüber müssen wir noch einmal reden“, sagte sie. Die Kanzlerin wünschte sich, „dass wir die diplomatischen Spielräume ausreizen und daran kann Deutschland seinen Beitrag leisten“.
US-Verteidigungsminister Panetta warnte vor gravierenden Auswirkungen eines Militärschlags auf die Region und die dort stationierten US-Soldaten. Außerdem werfe ein Angriff das iranische Atomprogramm nur um höchstens drei Jahre zurück, meinte Panetta.
Die US-Regierung will nach einem Bericht der US-Tageszeitung „Wall Street Journal“ 4900 bunkerbrechende Bomben an die Vereinigten Arabischen Emirate liefern, einen engen Verbündeten der USA in der Golf-Region. Damit könnten aus der Luft unterirdische Bunker und Tunnel angegriffen werden, in denen der Iran vermutlich Atomwaffen entwickle, berichtete das Blatt.
Die Führung in Teheran wird nach Einschätzung eines iranischen Experten weder durch schärfere Sanktionen noch durch Verhandlungen vom Streben nach Atomwaffen ablassen. Die Atomwaffen seien so etwas wie eine Lebensversicherung gegen einen Angriff aus dem Westen, sagte Mehdi Khalaji vom Institut für Nahost-Politik in Washington der israelischen Tageszeitung „Haaretz“. Niemand im Iran denke seiner Meinung nach daran, Atombomben wirklich einzusetzen. Ziel sei es, eine Vormachtstellung in der Region zu erlangen.