Krise rüttelt Europa durch

In den vergangenen Monaten verloren fünf Regierungschefs ihr Amt, ein sechster wird bald gehen.

Brüssel. Es ist kein Herbst wie alle anderen in Europa. Politische Stürme fegen vertraute Gesichter hinweg. Giorgos Papandreou hat den Versuch, die Sünden seiner Amtsvorgänger in Griechenland zu korrigieren, politisch nicht überlebt. Silvio Berlusconi entsagt dem lustvollen Leben eines Regierungschefs in Italien, weil die Gläubiger und Nachbarn des Landes wegen der Schuldenmacherei zunehmend unruhig werden. Die Krise fordert ihre Opfer. Wir geben einen Überblick:

Auch für Brian Cowen, irischer Taoiseach (Premier) von 2008 bis zum März dieses Jahres, gilt: Die Banken waren sein Schicksal. Deren Kredite hatten einen abenteuerlichen Immobilienboom finanziert. Ende 2010 musste Cowen Nothilfe der EU und des IWF annehmen — gegen bittere Sparauflagen. Das Ansehen des Regierungschefs sank ins Bodenlose. Erst verlor er den Vorsitz seiner Fianna-Fail-Partei, dann den Koalitionspartner, dann das Amt.

Nach langem Drängen der Europäer bat das verschuldete Portugal im April um Notkredite. Zuvor hatte das Parlament das vierte Sparpaket des damaligen Ministerpräsidenten José Sócrates abgelehnt. Der Sozialist reichte seinen Rücktritt ein. Die Wahlen im Juni gerieten zum Debakel für die Sozialisten. Die konservative Opposition gewann, seither ist Pedro Passos Coelho Regierungschef.

Vom Parlament abgewählt ist Borut Pahor, Regierungschef in Slowenien: Der Sozialdemokrat scheiterte an den ausufernden Staatsschulden und den explodierenden Kosten der Sozialsysteme. Am 4. Dezember gibt es Neuwahlen, die dürfte der konservative Oppositionsführer Janez Jansa gewinnen. Die Sozialdemokraten von Pahor bangen nun sogar um den Einzug ins Parlament.

Die slowakische Ministerpräsidentin ist eine Art Jeanne D’Arc der großen Krise — sie hat sich selbst geopfert im Kampf für die gute Sache. Ihr euroskeptischer Koalitionspartner wollte bei der Hilfe für Griechenland nicht mitmachen. Die Chefin erklärte, das kleine Land könne in dieser Existenzfrage nicht Allein gegen Alle spielen.

Seit Mai 2010 unterliegt der Schuldenstaat dem Spar- und Reform-Diktat der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds IWF. Die Regierung kappt Sozialausgaben und Renten, die Folge sind Massenstreiks. Zehntausende Mitarbeiter im öffentlichen Dienst müssen gehen. Papandreou jetzt auch.

Der skandalträchtige Ministerpräsident Silvio Berlusconi schmeißt hin. Der Politiker und Unternehmer, der bisher eher wegen seiner Freude an Frauen statt einer Vorliebe für Finanzen auffiel, will abtreten. In einem abgehörten Telefonat soll er vor einiger Zeit gesagt haben: „Ich verlasse dieses Scheißland, bei dem ich kotzen könnte.“