Eiszeit zwischen Hollande und Merkel
Die Eurokrise treibt einen tiefen Keil zwischen die einstigen Partner Deutschland und Frankreich.
Paris. Bald ein Jahr nach Amtsantritt will beim französischen Präsidenten François Hollande keine Feierlaune aufkommen. Die Arbeitslosigkeit hat mit 3,2 Millionen einen Rekord erreicht und seine Popularität den Tiefpunkt.
Jetzt kommt noch ein handfestes Zerwürfnis mit dem treuesten Verbündeten hinzu. „Zwischen Paris und Berlin herrscht Eiszeit“, lautet das Fazit des Pariser Politologen Hans Stark, der Generalsekretär des Komitees für deutsch-französische Beziehungen ist.
Auslöser des jähen Temperatursturzes ist ein Positionspapier der regierenden Sozialisten zur Europapolitik. Ein Dokument, das vor giftigen Angriffen gegen Angela Merkel nur so strotzt. „Selbstbezogene Unnachgiebigkeit“ werfen die Vordenker der „Parti Socialiste“ der Kanzlerin darin vor. Nicht das Wohlergehen der europäischen Nachbarn, schwadronieren sie, liege der CDU-Politikerin am Herzen, vielmehr denke sie nur „an die Spareinlagen der Anleger jenseits des Rheins, an die Handelsbilanz und an die nächsten Wahlen“. Das 21-Seiten-Papier gleicht einer Kriegserklärung an Angela Merkel.
Kaum war der Skandal in der Welt, versuchte Premierminister Jean-Marc Ayrault, ein früherer Deutschlehrer, die Wogen zu glätten. Damit seine Friedensbotschaft verstanden wird, twitterte er sie auch auf Deutsch. „Ohne einen intensiven und ehrlichen Dialog zwischen Deutschland und Frankreich werden wir die Probleme in Europa nicht lösen.“
Die Neigung, Angela Merkel als Sündenbock abzustempeln, hat Konjunktur in Frankreich. Populisten von links wie von rechts wollen den Wählern weismachen, dass allein die Kanzlerin verantwortlich für die europäische Wirtschaftskrise sei. Je wahrscheinlicher eine Rezession für Frankreich, desto barscher der Ton gegenüber Deutschland.
Hans Stark rät Hollande und Merkel dazu, sich endlich zusammenzuraufen statt fortwährend zu schmollen. Um Meinungsunterschiede zu beseitigen, so findet Stark, müssten die beiden alle kritischen Punkte auf den Tisch bringen. „Doch in Wirklichkeit sehen sie sich gar nicht mehr.“