Eiszeit zwischen Russland und den USA
Neues Kapitel im Fall Snowden: US-Präsident Obama sagt seinen Besuch in Moskau ab — ein Schlag für Kreml-Chef Putin.
Moskau. Für die russische Führung ist die Absage des lange geplanten Besuchs von US-Präsident Barack Obama in Moskau im Vorfeld des G20-Gipfels in St. Petersburg ein Affront wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Damit erreichte der Streit um den von den USA gesuchten Asylanten Edward Snowden seine bisher höchste Eskalationsstufe. Zumindest nach außen hin hatte Russland bis zuletzt kundgetan, dass Obama erwartet werde, während sich der Geheimdienstenthüller Snowden in derselben Stadt aufhält.
Normalerweise genießt es Kremlchef Wladimir Putin, sich seinen Landsleuten als jemand zu präsentieren, zu dem Gott und die Welt reist. Unlängst ließ er auch Außenminister John Kerry stundenlang warten. Diesen möglichen Gesichtsverlust erspart sich Obama nun — wohl auch eingedenk seines jüngsten Besuchs bei Putin 2009, als sich beide gefühlte Minuten lang anschwiegen. Obama warf dem Ex-KGB-Offizier Putin nun ein Denken wie im Kalten Krieg vor.
Der frühere Geheimdienstchef muss jetzt selbst eine beispiellose Brüskierung hinnehmen. Immerhin beteuerten Kremlsprecher fast täglich, dass es nicht die geringsten Signale aus den USA gebe, dass Obama absagen könnte. Mit einer Reaktion der USA auf das Asyl für Snowden hatte freilich auch Russland gerechnet.
Dass Obama jetzt aber nicht nur sein Moskauer Treffen mit Putin absagt, sondern den Gastgeber auch beim G20-Gipfel am 5. und September schneiden will, war kaum erwartet worden. Putin hatte nicht zuletzt mit Blick auf das Gewicht von US-Investitionen für die marode russische Wirtschaft vor Belastungen für die Beziehungen gewarnt. Deshalb gab er Snowden auf, dem „Partner“ USA nicht mit weiteren Enthüllungen zu schaden, wenn er im Land bleiben wolle.
Zunächst ohne Reaktion blieb Obamas Kritik an der neuen „Diskriminierung“ von Homosexuellen in Russland. Der US-Präsident warnte auch davor, Schwule und Lesben etwa bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi zu erniedrigen. Abbrechen will die Kontakte aber niemand. Es gebe noch viel gemeinsames „Business“, sagte Obama. Er selbst nannte die Hilfe Russlands bei der Versorgung der Truppen in Afghanistan und beim Anti-Terror-Kampf.
Und auch Putins Berater Juri Uschakow schlug versöhnliche Töne an. „Die russischen Vertreter sind bereit, weiter mit den amerikanischen Partnern in Schlüsselfragen der bi- und der multilateralen Agenda zu arbeiten“, sagte er. Gemeint sind etwa der Krieg in Syrien und die Atomprogramme im Iran und Nordkorea, aber auch die von Russland bisher abgelehnte US-Raketenabwehr in Europa.