Abstimmung zu Präsidialsystem Erdogan stellt nach Referendum-Sieg Todesstrafe in Aussicht

Istanbul (dpa) - Vor dem historischen Verfassungsreferendum in der Türkei hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan für den Fall seines Sieges eine Wiedereinführung der Todesstrafe in Aussicht gestellt.

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„Die Entscheidung morgen wird den Weg dafür öffnen“, sagte Erdogan vor jubelnden Anhängern, die in Sprechchören die Todesstrafe forderten. Er warb zugleich um massenhafte Zustimmung zu seinem Präsidialsystem bei dem Referendum an diesem Sonntag.

Oppositionsführer und CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu warnte am letzten Wahlkampftag in Ankara: „Morgen werden wir unsere Entscheidung treffen: Wollen wir ein demokratisches parlamentarisches System, oder wollen wir ein Ein-Mann-Regime?“ Er appellierte an die Wähler: „Würdet Ihr Eure Kinder in einen Bus ohne Bremsen setzen? Schützt die Demokratie, wie ihr Eure Kinder schützen würdet.“

Das Präsidialsystem würde Erdogan deutlich mehr Macht verleihen. An diesem Sonntag sind 55,3 Millionen Wahlberechtigte in der Türkei zur Teilnahme an dem Referendum aufgerufen. Im Ausland sind zusätzlich 2,9 Millionen wahlberechtigte Türken registriert. Dort wurde bereits gewählt. Umfragen - die allerdings nicht besonders zuverlässig sind - sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus.

Erdogan versprach im Falle seines Sieges Sicherheit, Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung. „Denkt daran, was passieren wird, wenn die Urnen - so Gott will - vor "Ja"-Stimmen platzen“, sagte er bei einem von insgesamt vier Auftritten am Samstag in Istanbul. Die pro-kurdische HDP warb bei ihrer Abschlusskundgebung in Diyarbakir für ein „Nein“ beim Referendum.

Erdogan erwartet von dem Referendum auch eine Quittung für Europa. „Dieser Sonntag ist der Tag, an dem unser Volk jenen europäischen Ländern eine Lektion erteilen wird, die uns in den vergangenen zwei Monaten mit aller Art von Gesetzlosigkeit einschüchtern wollten“, sagte er. „Morgen ist der Tag, um ihnen darauf eine Antwort zu geben. Wir werden auch Deutschland eine Antwort geben, und Österreich, Belgien, der Schweiz und Schweden.“

Während des Wahlkampfs war es zu schweren Spannungen zwischen der Türkei und mehreren europäischen Staaten gekommen. Auslöser waren geplante Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter. Erdogan hatte Deutschland und den Niederlanden „Nazi-Methoden“ vorgeworfen.

Erdogan griff Kilicdaroglu, den Chef der größten Oppositionspartei CHP, am Samstag außergewöhnlich hart an. „Morgen wird Dir diese Nation so eine Lektion erteilen, dass Du nicht länger in der Lage sein wirst, auf Deinem Posten zu bleiben“, sagte Erdogan.

Der Präsident unterstellte Kilicdaroglu Kontakte zu dem in Pennsylvania in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen, den die Regierung für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich macht. „Er sagt genau das, was ihm der Scharlatan in Pennsylvania ins Ort flüstert“, betonte Erdogan. Kilicdaroglu sei eine „Lügenmaschine“. Zugleich kündigte Erdogan an: „Wir werden am 16. April unsere Arbeit beenden, die wir am 15. Juli begonnen haben.“

Zur Todesstrafe sagte Erdogan: „Meine Brüder, meine Entscheidung über die Todesstrafe ist offensichtlich. Wenn das Parlament sie verabschiedet und sie mir vorliegt, werde ich zustimmen und die Angelegenheit beenden. Wenn das nicht geschieht, werden wir ein weiteres Referendum darüber abhalten und die Nation wird entscheiden.“

Erdogan hatte eine Wiedereinführung der Todesstrafe nach dem Putschversuch vom Juli 2016 ins Spiel gebracht. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig. Eine 60-Prozent-Mehrheit würde ein Referendum ermöglichen. Die EU hat angekündigt, dass der Beitrittsprozess der Türkei beendet würde, sollte die Todesstrafe wieder eingeführt werden. Erdogan sagte, auch in den Beziehungen zur EU werde das Referendum am Sonntag ein „Wendepunkt“.

Der Staatschef sagte zum Referendum am Sonntag: „Ich werde diejenigen verstehen, die "Nein" sagen, weil das Demokratie ist.“ Erdogan verwies aber zugleich darauf, dass nach seiner Einschätzung Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen für „Nein“ stimmen würden.

Der CHP-Vertreter in der Wahlkommission, Mehmet Hadimi Yakupoglu, kritisierte einen unfairen Wahlkampf von Erdogans AKP vor dem Referendum. Die AKP habe Staatsmittel missbraucht, um für das Präsidialsystem zu werben, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Die AKP konnte damit ungehemmt Propaganda machen. Sie konnte die Flugzeuge und Autos des Staates nutzen. Sie haben nichts aus eigener Tasche bezahlt, sondern mit meinen Steuern.“