Erneut Ärger um Steuerabkommen mit der Schweiz
Düsseldorf/Berlin (dpa) - Nordrhein-Westfalen hat offenbar erneut eine CD mit Bankkundendaten möglicher deutscher Steuerhinterzieher aus der Schweiz gekauft. Damit verschärft sich der Streit um das deutsch-schweizerische Steuerabkommen, das Anfang kommenden Jahres in Kraft treten soll.
Das Landesregierung wolle am Kauf von Daten potenzieller Steuersünder festhalten, erklärte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) am Samstag, ohne allerdings den neuen CD-Erwerb direkt zu bestätigen.
Über den Kauf eines neuen Datenträgers berichteten die „Financial Times Deutschland“ (FTD) und der „Spiegel“. NRW soll demnach 3,5 Millionen Euro für die CD gezahlt haben. Es handele sich um Kunden der Privatbank Coutts in Zürich, einer Tochter der britischen Royal Bank of Scotland. Laut FTD sollen sich auf dem Datenträger Namen und Kontenverbindungen von 1000 vermögenden Deutschen befinden, die bei Coutts in der Schweiz Kunden sind. Der „Spiegel“ schreibt, es gehe nach Angaben von Fahndern um große Vermögen, teilweise im zwei- und dreistelligen Millionenbereich. Vor dem Kauf seien rund zehn Prozent der Daten geprüft worden.
Coutts ist eine auf Vermögensverwaltung spezialisierte Bank, zu deren Kunden unter anderem auch Queen Elizabeth II. gehört. Die Bank bestreitet, dass es bei ihr ein Leck gegeben habe. „Uns sind die fortgesetzten Medienspekulationen über einen Verstoß gegen das Bankgeheimnis bei Coutts bekannt“, sagte eine Sprecherin. „Nach eingehender Untersuchung gibt es keine Hinweise, die die Vermutung rechtfertigen würden, dass ein solcher Verstoß stattgefunden hat.“
NRW-Finanzminister Walter-Borjans betonte in Düsseldorf, nötig seien „Erkenntnisse auch aus dem Ankauf von CDs (...), um Steuerhinterziehungen in gewaltigem Ausmaß auf die Spur zu kommen“. Zugleich sagte der SPD-Politiker, NRW könne dem Steuerabkommen in der ausgehandelten Form nicht zustimmen. „Da ist es nur folgerichtig, dass wir uns nicht schon jetzt so verhalten, als ob das Abkommen bereits gelten würde.“
Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es, man sei in den Vorgang „nicht eingebunden“. Die Bundesregierung setze weiter auf das Steuerabkommen mit der Schweiz, das für Altfälle wie für die Zukunft Lösungen biete. Der Ankauf von CDs sei „keine dauerhafte Lösung“.
Das mit den Eidgenossen ausgehandelte Abkommen sieht vor, dass illegal in die Schweiz gebrachte Gelder pauschal mit 21 bis 41 Prozent nachversteuert werden - je nach Dauer und Höhe der Einlagen. Dafür wird den Anlegern Straffreiheit zugesagt. Künftige Kapitalerträge sollen wie in Deutschland versteuert werden.
Das Schweizer Parlament hatte das Abkommen Ende Mai gebilligt. In Deutschland haben Bundestag und Bundesrat noch nicht zugestimmt. Die von SPD und Grünen regierten Länder wollen das Vorhaben im Bundesrat stoppen, weil ihnen die Regelungen nicht weit genug gehen.
Auch die Deutsche Steuer-Gewerkschaft sieht das so. Die Fachgewerkschaft der Finanzverwaltung vermutet, dass deutsche Kapitalflüchtlinge 150 Milliarden Euro illegal in die Schweiz geschleust haben. Gewerkschaftschef Thomas Eigenthaler sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstag), steuerflüchtige Anleger blieben in der Schweiz „weiter anonym und genießen dabei völlige Straffreiheit“.
Das Land NRW hat wiederholt mit dem Kauf von CDs für Aufsehen gesorgt. Wie Walter-Borjans im April bilanzierte, hatte die Auswertung von Steuer-CDs bis dahin 500 Millionen Euro an Nach- und Strafzahlungen in die Landeskasse gespült.
Im Frühjahr hatte die Schweiz mit Haftbefehlen gegen drei nordrhein-westfälische Steuerfahnder breite Empörung ausgelöst. Dabei ging es um den Kauf einer CD mit Daten deutscher Kunden der Großbank Credit Suisse. Für die CD sollen mehr als 2,5 Millionen Euro gezahlt worden sein. Tausende deutsche Credit-Suisse-Kunden sollen ins Visier der deutschen Steuerbehörden geraten sein. Sie sollen Schwarzgeld in Lebensversicherungen auf den Bermudas versteckt haben. Bislang habe es aber nur wenige Durchsuchungen gegeben, berichtete die „Welt am Sonntag“. Die meisten Namen seien den Finanzbehörden längst bekannt. Laut „Spiegel“ geht es um Informationen über rund 6000 Kunden.