Europa blickt nach Athen
Am Sonntag müssen die Bürger des Schulden-Staates abstimmen. Gewinnt das Linksbündnis, fürchten viele den Euro-Ausstieg.
Brüssel. Ganz Europa blickt am Sonntag auf Griechenland. Dann wählen die Bürger des pleitebedrohten Staats eine neue Regierung. Gewinnt das Linksbündnis Syriza, das den von den Europäern verordneten Sparkurs aufkündigen will, fürchten viele Griechenlands Abgang aus dem Euro-Währungsraum.
Verfahren. Zwei Gruppen stehen sich derzeit vermeintlich unversöhnlich gegenüber. Die Europäer — allen voran Deutschland und die EU-Kommission — machen seit Wochen Druck auf die Griechen: Der Staat müsse sich an seine Spar- und Reform-Versprechen halten. Sonst gebe es keine europäischen Notkredite mehr.
Auf der anderen Seite steht das Linksbündnis Syriza. Dessen Chef Alexis Tsipras will — wie die meisten Griechen — den Euro behalten. Er wehrt sich aber gegen den harten Sparkurs. Der habe Griechenland schließlich nicht vom Pleite-Abgrund weggeholt. Tsipras will neu mit den Europäern verhandeln, falls er gewinnt.
Seit einiger Zeit gibt es in Brüssel zarte Zeichen, dass die Europäer möglicherweise doch bereit sind, mit den Griechen über die Spar- und Reform-Auflagen zu reden. Offiziell sagt das aber niemand.
Auf jeden Fall nicht Knall auf Fall. Das würde eher ein längerer Prozess, falls Griechenland vom Euro-Nottopf abgetrennt und damit zahlungsunfähig wird. Ob sie den Euro aufgeben, entscheiden allein die Griechen.
Politiker hüten sich davor, offizielle Szenarien und Planspiele kundzutun. Da noch nie ein Land die Euro-Währungsunion seit ihrer Gründung 1999 verlassen hat, gibt es für einen Austritt bisher keine Anleitung. Derzeit äußern sich lediglich Experten, was in Griechenland passieren könnte. Zunächst einmal dürften Banken geschlossen und Höchstgrenzen für Abhebungen an Geldautomaten festgelegt werden. Das soll verhindern, dass noch mehr Griechen ihre Euros abheben.
Führt Griechenland die Drachme wieder ein, müsste die im Vergleich zum Euro stark an Wert verlieren. Mit dieser Abwertung würde die griechische Wirtschaft bei den Arbeitskosten wettbewerbsfähiger.
Die optimistische Annahme lautet: Der Euro-Raum würde das inzwischen verkraften. Noch im Mai 2010 galt ein Austritt als Horror-Tabuthema. Damals bewahrten die Europäer Griechenland mit Notkrediten vor der Pleite.
Doch nun, so lautet das Argument, gebe es einen Rettungsfonds für klamme Euro-Länder. Der minimiere die Ansteckungsgefahr, die von Griechenland ausgehe. Zudem erklärten die Europäer Griechenland zum Euro-Sonderfall. Diese Sicht torpedieren derzeit jedoch die Sorgen um Spanien und Italien.
Gebe Griechenland den Euro auf, bringe das die Euro-Zone ins Wanken und erhöhe die Wahrscheinlichkeit ihres Kollapses, glaubt der Argentinier Mario Blejer. Der Ex-Notenbanker kommt aus einem Land, das schmerzvolle Erfahrung mit Staatspleiten hat. Der Euro sei ein politisches Projekt. „Er verkörpert die europäische Integration.“