Ex-NSA-Chef: „Waren sehr offen zu unseren Freunden“
Berlin (dpa) - Die Hinweise auf eine Einbindung europäischer Nachrichtendienste in die Ausspähprogramme des US-Geheimdienstes NSA verdichten sich.
Nach Darstellung des früheren NSA-Chefs Michael Hayden hatten die USA ihre Kooperation mit den Europäern nach den Anschlägen vom 11. September 2001 massiv ausgeweitet - und dabei keinen Zweifel an den Zielen gelassen: „Wir waren sehr offen zu unseren Freunden.“ Zu dieser Zeit regierten in Deutschland SPD und Grüne. Sie dringen nun auf rasche Aufklärung. Die CDU warf der Opposition deshalb „verantwortungslose Heuchelei“ vor.
Die Zusammenarbeit deutscher und US-amerikanischer Geheimdienste beim Ausspähen von Daten ist nach einem „Spiegel“-Bericht viel enger als bislang bekannt. Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND und das im Inland operierende Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) setzen eine Spähsoftware der amerikanischen NSA namens „XKeyscore“ ein, schreibt das Nachrichtenmagazin. Es beruft sich auf von ihm eingesehene geheime Unterlagen der National Security Agency (NSA).
Die Ausspäh- und Überwachungsprogramme des amerikanischen Inlandsgeheimdienstes NSA, mit denen auch in Deutschland zigtausendfach Daten von Telefon- und Internetnutzern gesammelt worden sein sollen, haben weltweit für Empörung gesorgt. Einzelheiten und Umfang der Ausspähung sind immer noch unklar.
Ein US-Gericht verlängerte inzwischen die Genehmigung zum Sammeln von Telefonverbindungsdaten. Normalerweise bleiben Entscheidungen des für die Überwachung der US-Geheimdienste zuständigen Gerichts geheim. „Angesichts des erheblichen und anhaltenden öffentlichen Interesses an dem Programm zur Sammlung der Telefonverbindungsdaten“ habe man sich aber zur Veröffentlichung entschieden, erklärte das Büro des obersten Chefs der US-Geheimdienste (DNI), James Clapper.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die USA am Freitag erneut aufgerufen, auf deutschem Boden deutsches Recht einzuhalten. Man habe den Amerikanern einen umfangreichen Fragenkatalog übermittelt und warte nun auf Antworten, sagte sie.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück warf Merkel deshalb Hilflosigkeit und Untätigkeit vor. Es gehe um die einschneidendsten Grundrechtsverletzungen, die seit langem bekanntgeworden seien, sagte er am Samstag bei einem SPD-Landesparteitag in München. Merkel jedoch sage, sie wisse es nicht, es werde geprüft. „Es ist nicht unanständig, wenn man sie an ihren Amtseid erinnert, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.“
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf der Opposition Verlogenheit vor. Die Aussagen des früheren NSA-Chefs Hayden entlarvten „alle Attacken der Opposition auf die jetzige Bundesregierung als verantwortungslose Heuchelei und unverfrorene Doppelmoral“, sagte er der dpa.
Nach Darstellung Haydens haben die Geheimdienste ihre Informationen in einer Art Pool-System gebündelt. Die Kooperation wurde offenbar bei einem geheimen Treffen der US-Dienste mit den Chefs der europäischen Nachrichtendienste kurz nach den Anschlägen vom 11. September vereinbart. „Wir waren sehr klar darüber, was wir vorhatten in Bezug auf die Ziele, und wir baten sie um ihre Kooperation“, sagte Hayden in einem ZDF-Interview. „Nicht nur in Deutschland, aber dort fand, glaube ich, das Treffen statt.“
Der frühere Geheimdienstchef machte deutlich, dass er die Überraschung deutscher Politiker über die Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden für unglaubwürdig hält. „Ich bin da mal sehr respektlos, okay? Das ist wie in dieser Filmszene aus "Casablanca", in der Polizeichef Renault informiert wird, dass in Rick's Café Glücksspiel stattfindet.“
Laut „Spiegel“ geht aus den eingesehenen Dokumenten hervor, dass sich die Zusammenarbeit deutscher Dienste mit der NSA zuletzt intensiviert habe. Darin sei vom „Eifer“ des BND-Präsidenten Gerhard Schindler die Rede. In Afghanistan, so heiße es an anderer Stelle, sei der BND in Sachen Informationsbeschaffung sogar „fleißigster Partner“.
Die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries forderte die Bundesregierung auf, die Aktivitäten der US-Geheimdienste hierzulande zu stoppen. Um solche Aktionen zu verhindern, „brauchen wir Verträge zwischen der EU und den USA“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Nötig seien zudem internationale Vereinbarungen, die sicherstellen, dass EU-Staaten und Partnerländer sich nicht gegenseitig ausspähen.