Nur ein Etappensieg für Putin-Gegner Nawalny
Der 37-Jährige kommt vorerst frei — und sagt: Lasst uns die Zeit nutzen, um die Gauner zu besiegen.
Moskau. Dankbar und fast selbst ein wenig überrascht von so viel Beistand ist der charismatische Kremlgegner Alexej Nawalny kampfeslustig auf der politischen Bühne zurück. Nicht einmal 24 Stunden dauerte seine Untersuchungshaft, nachdem ein Gericht in der Stadt Kirow ihn zu fünf Jahren Straflager verdonnert hatte.
„Selbst wenn es nur vorläufig ist, lasst uns die Zeit nutzen, um die Gauner zu besiegen“, tönt der 37-Jährige 900 Kilometer nordöstlich von Moskau. Er ist unterwegs in die Hauptstadt, wo er weiter Kandidat für die Bürgermeisterwahl am 8. September ist.
Noch als Gefangener in seinem Glaskasten vor Gericht, wo er über das Internet zu sehen ist, beschimpft Nawalny den Staatsanwalt als Kriminellen, der willfährig politische Urteile durchdrücke. Immerhin verlangt Ankläger Sergej Bogdanow plötzlich, die Haft auszusetzen, damit Nawalny an der Wahl in Moskau teilnehmen könne.
Solch eine Wende in dem als „Schauprozess“ kritisierten Verfahren ließ selbst eingefleischte Juristen staunen. Damit hat sich die Anklage selbst bloßgestellt, wie Genri Resnik als Präsident der Anwaltskammer meinte. Der Prozess — Nawalny soll als Berater eines Holzhandels einen staatlichen Betrieb um 400 000 Euro geprellt haben — sorgt bei Experten für Kopfschütteln.
Wer sich die Mühe macht und die Vorwürfe ernst nimmt, kommt zum Schluss, dass Nawalny nur normale Geschäftspraktiken gepflegt hat: Warenverkauf und Gewinn machen. Wenn das Urteil von Kirow Schule mache, warnt die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“, müsse künftig jeder Geschäftsmann in Russland mit einer Anklage rechnen.
Allerdings einigten sich die Kommentatoren mehrheitlich darauf, dass es hier nicht um Wirtschaft, sondern nur um Politik gehe. Die Botschaft: Wer sich mit den Machthabern anlegt, kommt ins Straflager. Und Nawalny hat immer wieder lautstark erklärt, er wolle Kremlchef Wladimir Putin ins Gefängnis bringen und selbst Präsident werden.
Dass Nawalny, der Putins Machtlager als „Partei der Gauner und Diebe“ anprangert und in sozialen Netzwerken ein Held ist, Tausende Menschen spontan auf die Straße bringen kann, dürfte auch der Kreml so nicht erwartet haben. „Freiheit für Nawalny!“ riefen am Freitag Tausende nicht nur in Moskau bei verbotenen Protesten.
Just als sich der Frust vieler Russen Bahn brach, legte die Staatsanwaltschaft Haftbeschwerde ein, um Nawalny aus dem Gefängnis zu holen. Doch auch Nawalny ist klar, dass er keine Chance hat gegen das Machtlager. Ihm droht nicht nur in Kirow Haft. Die Staatsanwaltschaft hat weitere Anklagen in petto.