Ferguson: Obama gibt sich kleinlaut

Die US-Behörden bekommen die Lage in der Kleinstadt nicht in den Griff. Schwere Verstöße gegen die Pressefreiheit.

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Washington. Plötzlich sagt Barack Obama einen Satz, den er sonst eher über Länder wie China, Ägypten oder den Iran formuliert hätte. Gemeint ist die Kleinstadt Ferguson: „Hier in den Vereinigten Staaten sollte die Polizei Journalisten nicht schikanieren oder festnehmen, die nur versuchen, ihren Job zu machen und den Amerikanern zu berichten, was sie vor Ort sehen.“ Selbst der US-Präsident muss nun eingestehen, dass die Polizei dort bei ihrem Umgang mit Journalisten deutlich zu hart vorgegangen ist.

Mindestens neun Journalisten waren während der erneuten nächtlichen Unruhen festgenommen worden, darunter drei deutsche. Ihren Berichten zufolge wurden sie in Handschellen abgeführt. Was folgte, waren teils fadenscheinige Begründungen. Als der „Welt“-Korrespondent Ansgar Graw nach dem Namen des verantwortlichen Polizisten fragte, erhielt er die Antwort „Donald Duck“.

Einige Reporter sind mit schusssicheren Westen und Gasmasken im Einsatz; sie haben Angst vor Gummigeschossen und Tränengas. Eine Lokalpolitikerin twitterte, CNN habe sämtliche Helme in einem Geschäft für Militärausrüstung aufgekauft.

Das teils aggressive Vorgehen der Polizei in dem Vorort von St. Louis lässt die Alarmglocken bei Journalistenverbänden nun noch lauter läuten. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU fordert von der Polizei, die Vorgaben für die Berichterstattung klar zu definieren.

Immer auffälliger wird auch die Strategielosigkeit der Behörden. Seit dem Ausbruch der Unruhen vor über einer Woche wechselte die Polizei mehrfach ihre Strategie. Erst traten die Beamten knallhart und hochgerüstet wie Soldaten auf — und rückten im Schutz von Schützenpanzern vor. Nach Kritik an dieser „Militarisierung“ übernahm die eher laxe Highway Patrol die Arbeit an der Protestfront.

Als die „sanfte Welle“ nicht aufging, verhängten die Behörden eine nächtliche Ausgangssperre. Aber auch das brachte kein Ende der Zusammenstöße. Daraufhin machte Gouverneur Jay Nixen am Montag die Nationalgarde mobil. Zugleich wurde die Ausgangssperre aber wieder aufgehoben — eine konsequente Strategie sieht anders aus.

Die Krawalle bringen Obama in ein Dilemma. Es sind die ersten schweren Unruhen seiner knapp sechsjährigen Amtszeit, bei denen es auch um den Konflikt zwischen Schwarz und Weiß geht. Obama wirkt hin- und hergerissen zwischen Sympathie für die schwarzen Jugendlichen, deren Schicksal er nur zu gut kennt, und seiner Pflicht, als Oberbefehlshaber für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Penibel vermeidet er jede Bewertung, wer Schuld am Ausbruch der Unruhen tragen könnte, und verurteilt Polizeigewalt ebenso wie Angriffe auf die Polizisten — ein schwieriger Balanceakt.

Als erster schwarzer US-Präsident hatte Obama sich vorgenommen, die Lage der Afroamerikaner zu verbessern, den Benachteiligten mehr Chancen zu verschaffen. „Wir haben außergewöhnliche Fortschritte erreicht“, sagt Obama im Weißen Haus, „aber wir haben nicht genügend Fortschritte erreicht“. Das klingt eher kleinlaut und bescheiden — ob es die Demonstranten zu beruhigen vermag?

Hinzu kommt die Frage, wer in Ferguson eigentlich nachts auf die Straße geht. Fest steht: Längst nicht alle sind friedliche Demonstranten. Immer häufiger tauchen junge Leute auf, die geübt Tränengasbomben der Polizei zurückwerfen. Angeblich reisen die Unruhestifter von weit her an.

Als Sofortmaßnahme zur Beruhigung der Lage schickte Obama erst einmal seinen Justizminister und obersten Staatsanwalt Eric Holder.