Frankreich für Mega-Euro-Schutzwall
Paris/Berlin/Rom (dpa) - Unmittelbar vor der entscheidenden Sitzung der Euro-Finanzminister über den künftigen Rettungsschirm hat Frankreich die Bundesregierung mit einer Eine-Billion-Euro-Forderung verärgert.
Der französische Finanzminister François Baroin sprach sich am Donnerstag für eine massive Erhöhung der Kredithilfen auf die Summe von einer Billion Euro aus, wie das zuvor auch die OECD getan hatte. „Das ist die Position, die ich im Namen Frankreichs verteidige“, sagte Baroin am Donnerstag im TV-Sender BFM Business.
Der neue Euro-Schutzwall soll nach Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rund 800 Milliarden Euro groß werden. Diese Zahl nannte Schäuble am Abend während einer Diskussionsveranstaltung in der Kopenhagener Universität. Es werde eine neue Institution geschaffen mit 500 Milliarden Euro an verfügbaren Mitteln. Dazu kämen noch die laufenden Programme für Portugal, Irland und Griechenland sowie EU-Mittel. „800 Milliarden, um Ansteckung zu bekämpfen und unsere Stabilität zu schützen und das weltweite Wachstum abzusichern“, sagte Schäuble. „Das ist überzeugend, das reicht aus.“
Zuvor sagte Schäuble sagte der „Bild“-Zeitung (Freitag) als Reaktion auf Baroins Forderungen: „Ich halte gar nichts davon, die Märkte mit immer neuen Beträgen zu verunsichern.“ Mit Spekulationen über eine weitere Ausweitung der Rettungsschirme würden „die Menschen verunsichert“. Da mache er nicht mit.
Die Euro-Finanzminister kommen an diesem Freitag in Kopenhagen zusammen, um die Rettungsschirme für finanzschwache Mitgliedstaaten zu vergrößern. Sie wollen damit Forderungen internationaler Partner wie der USA entsprechen, die höhere Schutzwälle gegen die Schuldenkrise fordern. Die genaue Höhe ist jedoch Interpretationssache - je nach dem, was dazugezählt wird. Zu den ohnehin schwierigen Abstimmungsprozessen kommt noch hinzu, dass Frankreich derzeit mitten im Wahlkampf steckt.
Baroin meinte, der Zweck des Schutzschirms sei vergleichbar mit dem der Atombombe: „Er wurde geschaffen, um nie eingesetzt zu werden - das nennt man Abschreckung.“ Je höher der Schutzschirm sei, umso geringer das Risiko einer Spekulanten-Attacke auf schwache Länder. Auch die von Industrieländern getragene Wirtschaftsorganisation OECD hatte eine Ausweitung des Rettungsschirms auf mindestens eine Billion Euro gefordert.
Bisher zeichnet sich ab, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM und die verplanten Nothilfen des vorläufigen Krisenfonds EFSF an Irland, Portugal und Griechenland eine Zeit lang parallel laufen. Dies bedeutet, dass das Kreditvolumen in einer Übergangszeit auf 700 Milliarden Euro steigt. Hinzu kämen laut Bundesfinanzministerium noch 49 Milliarden Euro aus dem EU-Krisenfonds EFSM. Unterm Strich stehen damit bis zu 750 Milliarden Euro zur Verfügung. Die deutsche Haftung könnte bis zum Sommer 2013 auf 280 Milliarden Euro klettern.
Ungenutzte EFSF-Gelder von 240 Milliarden Euro sollen zudem eine Art Notfallreserve bilden, solange der ESM nicht voll mit Kapital ausgestattet ist. Zusammengerechnet wären dies dann fast eine Billion Euro. Der ESM startet im Juli und wird schrittweise bis 2015 gefüllt. Er verfügt daher nicht sofort über das volle Kreditvolumen.
Im Bundestag debattierten die Parteien am Donnerstag über den ebenfalls zur Stabilisierung der Eurozone geplanten Fiskalpakt sowie eine mögliche Finanztransaktionssteuer. SPD und Grüne pochen für ihre Zustimmung zu härteren Defizitregeln weiter auf eine Besteuerung der Finanzmärkte. „Wir werden uns (...) nicht noch einmal abspeisen lassen“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Finanzminister Schäuble bekräftigte: „Wir werden alles tun, um (...) eine Einigung zustande zu bringen.“ Die Chancen für einen einstimmigen Beschluss seien aber nicht sehr groß.
Nach dem Willen von Union und FDP sollen die Gesetzentwürfe zum Fiskalpakt und ESM zusammen vor der Sommerpause verabschiedet werden. SPD und Grüne dringen beim Fiskalpakt auf eine spätere gesonderte Abstimmung. Schwarz-Gelb ist auf Stimmen der Opposition angewiesen, da in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig ist.
Schäuble verteidigte eine zeitweise Ausweitung des Rettungsschirms als überzeugende Lösung. Mit Fiskalpakt und ESM werde ein „weiterer wichtiger Baustein zur Überwindung der Vertrauenskrise“ und einen stabilen Euro geschaffen.
Italien überraschte am Donnerstag mit einer durchwachsenen Versteigerung von Staatsanleihen die Finanzmärkte. Das Maximalziel von 8,25 Milliarden Euro Einnahmen wurde verfehlt, im richtungsweisenden zehnjährigen Laufzeitbereich bleiben die Zinsen, die das Land Investoren bieten muss, hoch. Die Märkte reagierten mit Enttäuschung. Der Euro fiel auf ein Tagestief, und die Risikoaufschläge für italienische Papiere am Sekundärmarkt zogen deutlich an.