„Fuck the EU“: Vom Gegner abgehört und vorgeführt

Die Spitzenpolitiker der EU und der USA werden belauscht, wenn sie in die Ukraine telefonieren.

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Brüssel. Bei der Europäischen Union ist Unaufgeregtheit angesagt. Aber eines steht fest: Das „Fuck the EU“ der US-Topdiplomatin Victoria Nuland (53) in einem Telefonat mit dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, war keine wirklich freundliche Bemerkung über die Europäische Union — auch wenn es unterschiedlich schlimme Übersetzungsmöglichkeiten gibt.

Doch die EU trägt die Äußerung demonstrativ mit Fassung. Vielleicht auch deswegen, weil viele Diplomaten in Brüssel bei der Frage, wer das Telefongespräch abgehört haben und wem es nutzen könnte, entweder auf Russland oder zumindest auf die Herrschenden in Kiew tippen.

Die EU und die USA befinden sich ohnehin nicht in einer politischen Kuschelphase. Nach Bekanntwerden des NSA-Abhörskandals sind beide Seiten bemüht, bis zum EU-USA-Gipfel Ende März in Brüssel zu einer halbwegs normalen Arbeitsatmosphäre zurückzufinden.

Bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA — dem größten und wichtigsten in der Geschichte der Union — geht es schon seit Monaten richtig zur Sache. Man verhandelt aber weiter, weil das Abkommen im Interesse beider Seiten ist. Das Verhältnis ist nicht leidenschaftlich, es ist eine Vernunftbeziehung.

Zudem hat Nuland mit dem „S. . . auf die EU“ der Europäischen Union nichts Neues gesagt. „Uns allen ist doch klar, dass sie (die Amerikaner) uns für Weicheier halten“, sagt ein Spitzendiplomat in Brüssel.

Dass man in Washington die EU für zu zögerlich hält, vor allem wenn es um robuste Militäreinsätze geht, ist kein Geheimnis. Auch nicht, dass die USA von der Vielstimmigkeit der EU in außenpolitischen Fragen genervt sind: In wichtigen Fragen melden sich aus Brüssel gerne gleich drei Präsidenten (Rat, Kommission und Parlament) sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zu Wort.

Dass von der EU nichts zu halten ist, dass USA und EU insgeheim die Geschicke der Ukraine zu bestimmen versuchen, dass die ukrainische Opposition nur eine Marionette des Westens ist — das sind Botschaften, die Russland schon seit Wochen vor allem an die Ukrainer zu senden versucht. Und offener Streit zwischen Washington und Brüssel käme, meinen Diplomaten, Wladimir Putin und Viktor Janukowitsch gerade recht.

„Wir kommentieren keine abgehörten angeblichen Telefongespräche“, lautet die Reaktion Ashtons, die sich seit Dezember um eine Vermittlungsrolle bemüht. Eine „flapsige Bemerkung in einem vertraulichen Gespräch“ sei das gewesen, sagt ein EU-Diplomat. „Abgehörte private Unterhaltungen gehören nicht zu den Werkzeugen, mit denen wir der Ukraine helfen wollen“, sagt Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde Hansen.