Sinn und Unsinn der Kritik
Es gibt vieles zu kritisieren am neuen Internet-Gesetz, das jetzt das türkische Parlament passiert hat. Es ist nichts anderes als ein Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit — und damit auf den Rechtsstaat, als den die Türkei sich begreift.
Wer Internetseiten ohne richterlichen Beschluss, also nach Gutdünken, sperrt, schützt mitnichten die Jugend vor schädlichen Einflüssen, sondern vor allem sich selbst vor Kritik. Das Gesetz ist ein mächtiges Instrument für Ministerpräsident Erdogan, der nicht nur wegen einer Korruptionsaffäre unter Beschuss steht.
Es gibt allerdings auch vieles zu kritisieren an der Kritik. Besonders an jener, die aus Brüssel Richtung Bosporus hinüberschallt. Denn auch die EU-Richtlinie zur Speicherung von Nutzerdaten sieht eine Aufbewahrungsfrist von bis zu zwei Jahren vor — ohne jeden Anlass und konkreten Verdacht wohlgemerkt. Ein Gerichtsgutachten hält dies zwar für rechtswidrig, vom Tisch ist die Vorgabe damit aber noch lange nicht. Die Forderung, das umstrittene türkische Gesetz in Einklang mit den EU-Standards zu bringen, ist also schlichtweg unsinnig.