In Lauerstellung Eskaliert der Handelsstreit zwischen Brüssel und Washington?
Washington/Berlin/Brüssel (dpa) - Nach der Ankündigung von Präsident Donald Trump könnten die USA wegen vermeintlich unfairen Wettbewerbs sehr bald Strafzölle auf europäische Importe verhängen.
Die Stahl- und Aluminiumbranche würde es wohl als erstes treffen, doch weitere könnten folgen. Die EU-Kommission macht klar: Im Fall der Fälle werden Gegenmaßnahmen nicht lang auf sich warten lassen. Doch Europa setzt nach wie vor auf eine gütliche Einigung in dem Disput. Ein Überblick:
Die Ankündigung vergangene Woche deutet darauf hin, dass er die erste von drei Optionen ziehen will, die das Handelsministerium vorbereitet hatte: 25 Prozent Zoll auf weltweit alle Stahlimporte, zehn Prozent auf alle Aluminiumimporte. Details will der Präsident in den nächsten Tagen nennen. Dass er sich bis dahin entscheidend bewegen wird, ist unwahrscheinlich. „Wir machen Zölle“, bekräftigte er am Dienstag nochmals. Bezüglich der Nachbarn Mexiko und Kanada ließ Trump Flexibilität für den Fall erkennen, dass die bei Gesprächen zum Nafta-Freihandelsabkommen Zugeständnisse machen, etwa in der Landwirtschaft. Die EU müsste ihrerseits Handelsschranken abbauen, wolle sie Zugeständnisse erreichen.
Fast. Trump bemüht bei seiner Zollpolitik die Nationale Sicherheit. Wenn er nachweisen kann, dass diese berührt ist, hat er große Befugnisse - beruhend auf Paragraf 232 des „Trade Expansion Acts“ aus dem Jahr 1962. Die EU-Kommission hält diese Begründung für absurd. „Wir können nicht sehen, wie die EU [..] eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA sein kann“, sagte Handelskommissarin Cecilia Malmström.
Eine Entscheidung zum Stahl muss Trump demnach bis zum 11. April fällen, zum Aluminium bis zum 19. April. Der US-Präsident hatte zuvor das Handelsministerium eingebunden - dieses hatte die Frage, ob die Nationale Sicherheit durch die Stahl- und Aluminiumimporte berührt ist, nach einem monatelangen Prüfprozess mit „Ja“ beantwortet. Gesetzgeberische Bemühungen, dem Kongress bei Zöllen ein größeres Mitspracherecht zu geben und damit die Macht des Präsidenten zu beschneiden, laufen.
Wohl beides. Vieles spricht dafür, dass Minister Wilbur Ross eine besser zurechtgestutzte, zielgenauere Version favorisierte, die zwölf Länder, darunter China und Russland treffen sollte, aber mit Ausnahme der Türkei keine Nato-Partner. Die EU-Länder wären dann von Zöllen verschont worden. US-Kommentatoren sind sich einig, dass bei Trumps vor allem hinsichtlich des Zeitpunkts überraschendem Vorstoß auch Innenpolitik eine große Rolle spielte. Der Präsident steht wegen Personalquerelen im Weißen Haus sowie der Russland-Affäre unter großem Druck. Gary Cohn, Trups hochrangigster Wirtschaftsberater, stemmte sich umsonst gegen die Zölle - und nahm am Dienstag folgerichtig seinen Hut.
Die USA sind für die Europäische Union der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Nach Angaben der EU-Kommission beläuft sich der Handel zwischen den beiden Seiten auf rund ein Drittel des gesamten Welthandels. 2016 betrugen EU-Warenexporte in die USA rund 362 Milliarden Euro. Die Güterimporte aus den USA hatten einen Wert von etwa 246,8 Milliarden Euro. Hinzu kommen erhebliche Dienstleistungsexporte sowie direkte Investitionen von Firmen.
Die geltenden Zölle zwischen beiden Handelspartnern sind bereits vergleichsweise niedrig. Auf EU-Seite liegen sie im Schnitt bei etwa drei Prozent des Warenwerts, auf US-Seite bei knapp zweieinhalb Prozent. In einigen Sektoren gibt es allerdings erhebliche Abweichungen. Die EU verlangt etwa 10 Prozent bei Autoeinfuhren, in den USA sind es lediglich 2,5. Im Gegenzug sind die Zölle für Trucks und Pick-ups in den USA deutlich höher. Europa sichert zudem etwa seine Landwirtschaft überdurchschnittlich, in den USA werden hingegen etwa bei Schuhwaren bis zu 48 Prozent Aufschlag fällig.
In Brüssel wird darauf verwiesen, dass Europa insgesamt weniger Zoll-Spitzenwerte als die USA aufzuweisen hat. Zudem gebe es neben Zöllen noch andere Handelshemmnisse - demnach lassen sich die USA bei Zulassungen einzelner Produkte teilweise jahrelang Zeit.
Die EU könnte kurzfristig ebenfalls Handelsbarrieren für US-Produkte errichten - entweder ebenfalls in Form von höheren Zöllen oder durch Einfuhrquoten. Brüssel geht derzeit von Einbußen von rund 2,8 Milliarden Euro für die heimische Industrie durch die angekündigten Zusatzzölle auf Stahl und Aluminium aus. Gegenmaßnahmen sollen dann ebenfalls in dieser Größenordnung erfolgen.
EU-Experten arbeiten seit Monaten an einer Liste mit US-Produkten, die als Reaktion auf Abschottungsmaßnahmen im Fokus stehen könnten. Darauf dürften vor allem Industrie- und Agrarprodukte stehen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte zuletzt angekündigt, dass etwa Bourbon-Whiskey und Harley-Davidson-Motorräder dazu zählen könnten. Handelskommissarin Cecilia Malmström sprach nun zudem von Erdnussbutter und Cranberrys.
Für die EU dürfte es darum gehen, die US-Wirtschaft möglichst empfindlich zu treffen, allzu gravierende Auswirkungen für Verbraucher und Unternehmen hierzulande aber zu vermeiden. Die EU will im Fall der Fälle auch Beschwerde bei der WTO einlegen. Ein Verfahren aber kann Jahre dauern.
Die Auswirkungen von Strafzöllen auf Stahl für die deutsche Stahlbranche wären aus Expertensicht nicht massiv. So sieht sich der Branchenprimus Thyssenkrupp von US-Strafzöllen direkt nur wenig betroffen. Der Konzern habe nur ein geringes Engagement in den USA. Branchenverbände aber warnten, Unternehmen, die bisher Stahl in die USA exportiert haben, würden sich Alternativen suchen - vor allem Europa. Folge könnte eine „Stahlschwemme“ von Herstellern aus Nicht-EU-Ländern sein.
Viel stärker treffen könnte es die deutsche Autoindustrie - wenn Trump seine Drohung wahr macht, nach möglichen Gegenmaßnahmen der EU Importzölle auf Autos zu verhängen. „Wir beobachten die aktuelle Entwicklung mit großer Sorge“, sagte der Präsident des Branchenverbandes VDA, Bernhard Mattes. Zwar produzieren BMW, Daimler und VW zunehmend auch in den USA und beschäftigen dort insgesamt rund 37 000 Menschen.
Die deutsche Autoindustrie aber exportiert daneben in großen Stückzahlen in die USA, im vergangenen Jahr waren es fast 500 000 Autos. Nach Berechnungen der Commerzbank haben die USA 2017 aus Deutschland Autos im Wert von 20 Milliarden Dollar importiert. Einbrüche könnten Folgen haben auch für die Beschäftigung in Deutschland.