Fahrverbote und Preisverfall Arme Diesel-Fahrer
Hannover (dpa) - Es gibt sie, die Menschen, die ein Auto mit Dieselmotor in der Hoffnung gekauft haben, damit die Umwelt zu schützen. Denn die Autoindustrie polierte das Image des einst als schwachbrüstig und langweilig verschrienen Motors auf, pries den Diesel als Lösung für alle Klimaprobleme an.
Klar ist: der Diesel pustet im Vergleich zum Benzinmotor weniger vom schädlichen Klimagas Kohlendioxid in die Luft. Anders sieht es bei gesundheitsgefährdenden Stickoxiden aus, wie leidgeprüfte Autofahrer spätestens seit der VW-Abgasaffäre wissen. Die Folge: drohende Fahrverbote lassen nach Expertenmeinung die Preise für gebrauchte Diesel abstürzen. Die Verbraucher werden damit an einer empfindlichen Stelle getroffen - im Portemonnaie.
Oder ist das alles Hysterie nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Fahrverbote grundsätzlich zulässig sind? „In den nächsten Wochen dürften die Preise für gebrauchte Diesel kräftig in den Keller gehen“, ist sich Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sicher.
Sein Experten-Kollege Stephan Bratzel bestätigt, ohnehin sei es in der Fahrverbotsdebatte mit den Preisen bergab gegangen: „Das dürfte sich mit dem Urteil beschleunigen.“ Die Verbraucher müssten vermutlich mit den Verlusten beim Verkauf ihrer alten Autos leben, mutmaßt er. „Der Hinweis mit der kalten Enteignung stimmt schon ein Stück weit.“
Wenn man denn überhaupt seinen Diesel mit der Abgasnorm Euro 5 oder älter los wird. Die Standzeiten der Autos bei den Händlern sind nach jüngsten Zahlen des Dieselbarometers der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) auf fast vier Monate gestiegen, während gleichzeitig die Restwerte fallen. „Die stehen sich die Reifen platt, niemand wird sie haben wollen“, urteilt Dudenhöffer. Der Wertverlust bei älteren Dieselautos werde bis zu 15 Prozent erreichen, schätzt das Kraftfahrzeuggewerbe im Südwesten. Und auf den Höfen der Händler stehen nach Angaben des Zentralverbands des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes mehr als 300 000 Euro-5-Dieselautos.
So dürfte auch der Handel mit Verlusten zu kämpfen haben. Dudenhöffer geht davon aus, dass die Autohersteller mit Subventionen für ihre Händler eingreifen - „sonst fallen die um wie die Fliegen“. Auch der Restwertespezialist Schwacke erwartet, dass die Preise gebrauchter Diesel weiter nachgeben - zumal der Handel auch noch Rückläufer aus Leasingverträgen vermarkten müsse, die nach Bratzels Angaben teils mit festen Restwerten kalkuliert sind. Das heißt, der Handel muss die Autos zu vorher vereinbarten Preisen zurückkaufen, schafft es aber vermutlich nicht, diese - oder im Idealfall höhere - Preise auf dem Markt zu erzielen. Ein Teufelskreis.
Dabei kann sich schon ein kleinerer Preisrückgang spürbar auswirken, wie Bratzel erklärt. Im Leasing gehe es oft um höher motorisierte und teure Fahrzeuge, da „sind auch fünf Prozent schon viel“. Nach DAT-Zahlen gaben die Restwerte dreijähriger Gebrauchtwagen mit Dieselmotor im vergangenen Dezember um 3,4 Prozentpunkte auf 52,6 Prozent des ehemaligen Listenneupreises nach. Ohnehin trifft die Verunsicherung angesichts der Fahrverbots-Debatte das Kfz-Gewerbe, wie aus Zahlen des Wirtschaftsinformationsdienstleisters Creditreform hervorgeht: Demnach kam es in der Branche schon 2017 zu 640 Insolvenzen - ein Plus von 9,6 Prozent. Eine Trendwende, denn vorher sank die Zahl der Insolvenzen.
Was den Diesel zusätzlich unter Druck setzen dürfte: Dudenhöffer geht von steigenden Leasingraten für Autos mit Dieselmotor aus, und in der Folge dürften sich weitere Kunden abwenden. Stück für Stück werde die Autobranche dann die Diesel-Produktion zurückfahren, allenfalls in den schweren und angesagten Stadtgeländewagen werden seiner Einschätzung nach große Dieselmotoren mit der Abgasnorm Euro 6d bleiben. Für Dudenhöffer ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts damit „der Anfang vom Ende des Diesels.“
Oder ist das zu hoch gegriffen? Immerhin berichtete die „Financial Times“, der italienisch-amerikanische Autokonzern Fiat Chrysler verabschiede sich vom Dieselmotor. „Kein Kommentar“, hieß es vom Konzern dazu. Die US-Kanzlei Hausfeld, die VW-Kunden im Abgasskandal vertritt, forderte den weltgrößten Autobauer auf, in Deutschland zugelassene „Schummel-Diesel“ zurückzunehmen. Volkswagen argumentiert, man trage mit sauberen Euro-6-Dieselmotoren sowie Software-Updates, die bei rund 2,25 Millionen Euro-5-Dieselautos in Deutschland aufgespielt seien, nachhaltig zu einer Verringerung der Stickoxid-Emissionen bei.
Bleibt die Frage, was die Diesel-Besitzer jetzt tun können. „Augen zu und durch“, rät Dudenhöffer. Wer jetzt verkaufe, werde es schwer haben, einen Käufer zu finden. Wer ein anderes Auto kaufen wolle, solle sich für einen Benziner mit Partikelfilter, einen 48-Volt-Hybriden oder auch ein Elektroauto entscheiden. Bratzel wiederum macht klar: „Der Frust ist schon enorm.“