Fukushima und die endlose Flickschusterei
Der Betreiber Tepco bekommt die Unmengen verstrahlten Wassers nicht in den Griff.
Tokio. Kaum ein Tag verstreicht, an dem nicht Hiobsbotschaften über die Lage in der Atomruine von Fukushima um die Welt gehen. Dabei hatte Ex-Ministerpräsident Yoshihiko Noda das zerstörte Atomkraftwerk schon vor Monaten für „kalt abgeschaltet“ erklärt — es sei also unter Kontrolle. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, wie die Lecks an Tanks für die gigantischen Mengen verseuchten Wassers zeigen. Der Leiter der Atomaufsicht NRA, Shunichi Tanaka, räumte ein, dass die Lage „instabil“ sei. Jetzt, zweieinhalb Jahre nach Beginn der Katastrophe, verkündete Ministerpräsident Shinzo Abe, seine Regierung werde eingreifen.
Dass sich der Atombefürworter Abe nun als Retter in der Not gibt, kommt für viele nicht überraschend. Denn am Wochenende fällt die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees über die Vergabe der Spiele 2020. Tokio, bisher als Favorit gehandelt, befürchtet, dass das Desaster die Chancen Tokios gegenüber den Mitbewerbern Madrid und Istanbul verringert.
Dabei hatten Experten bereits vor 2011 vor den immer größeren Wassermengen gewarnt. NRA-Chef Tanaka warf dem Betreiber Tepco einen Mangel an Krisenbewusstsein vor. Doch die Regierung ließ Tepco machen. Meldungen über Lecks wurden ignoriert oder heruntergespielt.
Jeden Tag versuchen 3000 Arbeiter, die geschmolzenen Brennstäbe in den Reaktoren mit Wasser zu kühlen, das dabei radioaktiv verseucht wird. Doch dringen täglich 400 Tonnen Grundwasser in die undichten Reaktorgebäude ein und vermischen sich mit dem verstrahlten Wasser. Tepco hat Tanks aufgebaut, viele sind in Eile einfach aus Stahlplatten zusammengeschraubt worden. Aus einem von ihnen sickerten 300 Tonnen verstrahltes Wasser heraus. Alles Flickschusterei, sagen Kritiker.
Auch der Plan der Regierung, jetzt mit Steuergeldern einen gefrorenen Schutzwall im Erdreich um die Reaktoren zu errichten, um den Zufluss von Grundwasser zu bremsen, sehen Kritiker als weiteres störanfälliges Provisorium an. Was, wenn es zu Stromausfällen kommt? Bleibt zudem die Frage, was mit den Hunderttausenden von Tonnen an verseuchtem Wasser in den Tanks geschehen soll. Die halten nicht ewig. Ein weiteres schweres Erdbeben könnte zudem viele leckschlagen lassen.