Gemäßigte Islamisten gewinnen Marokko-Wahlen
Rabat (dpa) - Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Marokko haben die gemäßigten Islamisten einen klaren Wahlsieg errungen. Die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) habe 80 der bislang ausgezählten 288 Sitze gewonnen, teilte Innenminister Taieb Cherkaoui mit.
Die nationalistische Partei Istiqlal von Ministerpräsident Abbas al-Fassi belegte mit 45 Sitzen den zweiten Platz. Seine Partei sei bereit, mit der PJD eine Koalition zu bilden, sagte Istiqlal-Führungsmitglied Abdallah Bakkali. Beide Parteien hätten „gemeinsame Werte und Prinzipien“.
Die Zentrumspartei RNI, die der derzeitigen Regierungskoalition angehört, kam auf 38 Sitze. Die monarchistische PAM kommt auf 33 Sitze, die sozialistische USFP auf 29. Beobachter erwarten, dass die PJD eine Allianz mit nicht- religiösen Parteien suchen wird, um eine Regierungskoalition zu bilden.
Das marokkanische Abgeordnetenhaus hat insgesamt 395 Sitze. Davon sind 90 Mandate für Frauen und 30 für Parlamentarier unter 40 Jahre reserviert. Die offiziellen Gesamtergebnisse werden am Sonntag erwartet.
In einer gemeinsamen Erklärung sagten die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der für die Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Stefan Füle in Brüssel, die Wahlen seien „ein wichtiger Schritt in dem laufenden Demokratisierungsprozess Marokkos“. Die Abstimmung sei in einer „ruhigen und friedlichen Atmosphäre“ abgelaufen. „Die Europäische Union wird Marokko weiter dabei unterstützen, seine ehrgeizige Reformagenda umzusetzen.“
Die Wahlbeteiligung war mit rund 40 Prozent zwar niedrig, fiel jedoch höher aus als die bei den Parlamentswahlen 2007 registrierten 37 Prozent. Rund 40 Prozent der Stimmberechtigten hatten sich diesmal erst gar nicht ins Wahlregister eintragen lassen.
Die im Sog des Arabischen Frühlings entstandene Protestbewegung des 20. Februar boykottierte die Wahlen. Auch die große radikal islamistische Bewegung für Gerechtigkeit und Spiritualität hatte ihre Anhänger aufgerufen, den Wahlen fern zu bleiben. Diese Organisation ist in Marokko zwar offiziell verboten, wird aber weitgehend toleriert.
Eigentlich waren die Wahlen erst im September 2012 fällig. König Mohammed VI. hatte sie jedoch nach Verabschiedung einer Verfassungsreform im Juli vorverlegt, um nicht in den Strudel der Revolten im benachbarten Tunesien und in anderen arabischen Ländern zu geraten.
Nach der Reform muss der König künftig einen Kandidaten der stärksten Partei zum Regierungschef ernennen. Bislang konnte er den Ministerpräsidenten frei auswählen. Auch muss das Staatsoberhaupt einige Befugnisse an die Regierung und an das Parlament abtreten. Er behält jedoch die Kontrolle über die Armee, das Justizsystem und die islamischen Einrichtungen.