Griechenland: Brutale Reformen oder Katastrophe?

Das Land steht am Scheideweg. Die Wahl am Sonntag entscheidet, ob der Krisenstaat beim Rettungsprogramm weiter mitmacht.

Athen. Zumindest in diesen Punkten sind sich die Griechen einig: Der Staat muss reformiert werden und die Parlamentswahl am Sonntag stellt das Land vor eine historische Entscheidung. „Was auf dem Spiel steht, ist die Zukunft des Landes in den nächsten Jahrzehnten“, sagte der scheidende griechische Ministerpräsident Lucas Papademos. Der parteilose Bankexperte kandidiert nicht. Er und seine Regierung haben Griechenland durch schwierige Monate geführt und dabei den Weg für Reformen geebnet. Dabei brachten sie den Rekordschuldenschnitt in Höhe von knapp 107 Milliarden Euro unter Dach und Fach.

„Fortsetzung der Reformen oder Bankrott“, fasste die den Sozialisten nahestehende Athener Zeitung „Ta Nea“ zusammen. Auch für die konservative Zeitung „Kathimerini“ gibt es nur einen Weg: „Stabilität und Verbleib im Euroland“, lautet der Tenor. Dies wiederholen bei jedem Auftritt die Chefs der Konservativen, Antonis Samaras, und der Sozialisten, Evangelos Venizelos. Die meisten Griechen geben den beiden großen Parteien die Schuld für die katastrophale Entwicklung in den vergangenen Jahren. Beide Parteien wissen, dass sie keine Chance auf die absolute Mehrheit haben. Es bleibt nur die Hoffnung, als stärkste Partei aus der Wahl hervorzugehen, um das erste Wort bei der Koalitionsbildung zu haben. Wenn die pro-europäischen Kräfte nicht die Mehrheit erringen, drohe in Griechenland der Bankrott, orakelt Sozialistenchef Venizelos.

„Das ist Quatsch“, kontert der Kandidat des Bündnisses der Radikalen Linken (Syriza), Vassilis Moulopoulos. Es gebe einen anderen Weg, bei dem diejenigen den Preis der Finanzkrise zahlen sollen, die nach Sicht seiner Partei dafür verantwortlich sind. „Nämlich diejenigen, die Steuern hinterziehen und diejenigen, die ihr Geld ins Ausland bringen.“ Der Chef des Bündnisses der Radikalen Linken, Alexis Tsipras, sagt, das Land solle weiter im Euroverbund bleiben, es müsse aber keine Schulden zurückzahlen. Die gemäßigte Demokratische Linke (DA) schlägt Ähnliches vor. Die Kommunisten sagen es unmissverständlich: „Raus aus dem Euro und der EU jetzt.“

Auch im rechten politischen Spektrum gibt es Parteien, die um die Stimmen der enttäuschten konservativen Wähler ringen. „Deutschland soll Reparationen für den Zweiten Weltkrieg zahlen“, lautet die Forderung des Chefs der vor einigen Monaten von den Konservativen abgespaltenen Partei der „Unabhängigen Griechen“. Das Land sei von den Geldgebern „besetzt“ und müsse „befreit“ werden. Am rechten Rand macht sich erstmals eine rassistische, ausländerfeindliche und faschistoide Gruppierung namens „Goldene Morgenröte“ bemerkbar.

Vor dem Hintergrund dieser schweren Krise sind viele Bürger verwirrt. Angst vor der Zukunft und Wut über die Machenschaften der Politiker sind die vorherrschenden Gefühle. „Einerseits will ich die Zukunft meiner Kinder und Enkel sichern. Andererseits will ich diese Politiker abstrafen, die unser Land einen Schritt vor den Abgrund geführt haben“, sagt die Apothekerin Ioanna Kimpezi aus Athen. Es sind aber ausgerechnet die Kräfte für die Krise und die Arbeitslosigkeit von fast 22 Prozent verantwortlich, die sich jetzt für Stabilität und den Verbleib im Euroland einsetzen. Die anderen Parteien sind unbelastet, sie schlagen aber die gefährlichen Experimente außerhalb des Schutzschirmes der EU vor. Die Wahlentscheidung verunsichert viele Bürger.