Held oder Verräter? - Wikileaks-Informant Manning vor US-Gericht
Fort Meade (dpa) - Schwere Vorwürfe zum Prozessauftakt gegen den mutmaßlichen Wikileaks-Informanten Bradley Manning: Die Staatsanwaltschaft hat den Obergefreiten vor einem US-Militärgericht beschuldigt, systematisch militärische Informationen gesammelt und über das Internet dem Feind in die Hände gespielt zu haben.
Zudem habe der heute 25-jährige Angeklagte mit dem Wikileaks-Gründer Julian Assange direkten Kontakt gehabt. „Manning kannte die Folgen seines Handelns und hat sie missachtet“, sagte Militärstaatsanwalt Joe Morrow am Montag. Manning droht lebenslange Haft.
Er hatte bereits vor Prozessbeginn gestanden, während seiner Stationierung im Irak der Enthüllungsplattform Wikileaks Hunderttausende vertrauliche Dokumente aus der Datenbank des US-Geheimdienstes zugespielt zu haben. Die Enthüllungen hatten 2010 weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Die Verteidigung hielt Manning zugute, er habe die Informationen gesammelt, weil er meinte, diese müssten an die Öffentlichkeit gelangen. Zudem sei er damals erst 22 Jahre alt gewesen. „Er war jung, naiv, aber mit guten Absichten.“ Der Angeklagte verfolgte die Verhandlung auf dem Militärgelände von Fort Meade bei Washington ruhig und aufmerksam. Er trug seine Uniform.
Experten sprechen vom spektakulärsten Geheimnisverrat in der US-Geschichte. Ans Licht der Öffentlichkeit kamen teilweise streng geheime Militärdokumente, die auch Gräueltaten im Irak- und Afghanistan-Krieg beschrieben. Präsident Barack Obama hat immer wieder angekündigt, mit aller Härte gegen jede Art militärischer Enthüllungen vorzugehen.
Manning wird unter anderem „Unterstützung des Feindes“ vorgeworfen - ein Verbrechen, auf das die Todesstrafe steht. Angesichts des Geständnisses hat die Staatsanwaltschaft allerdings beschlossen, keine Todesstrafe zu fordern. Mannning muss aber mit Lebenslänglich rechnen. Der Prozess dürfte etwa drei Monate dauern.
Die Veröffentlichung der Geheimdokumente war seinerzeit auch eine große Peinlichkeit für die USA. Besonders belastend für Washington war es, als 250 000 Diplomaten-Depeschen aus US-Botschaften Ende 2010 im Internet erschienen. Zuvor hatten rund 490 000 US-Militärdokumente schreckliche Details des Irak- und Afghanistankrieges ans Tageslicht gebracht.
Die US-Regierung behauptet, die Veröffentlichungen hätten die Sicherheit amerikanischer Soldaten gefährdet. Manning betont dagegen, seine Absicht sei es keineswegs gewesen, dem Feind zu helfen. Es sei ihm allein darum gegangen, die Wahrheit über die Kriege ans Licht zu bringen. Friedensaktivisten und Bürgerrechtler nennen ihn daher einen Helden.
Vor der Militärbasis protestierten etwa 50 Demonstranten. Sie forderten „Freiheit für Manning“. Auf anderen Spruchbändern hieß es „Die Wahrheit vor Gericht“.
Strittig ist der streckenweise Ausschluss der Öffentlichkeit von dem Verfahren. Die Richterin, Oberst Denise Lind, kündigte bereits vor Prozessbeginn an, 24 Zeugen hinter verschlossenen Türen zu befragen. Dabei handele es sich etwa um Botschafter oder ranghohe Militärs, die über geheime Informationen verfügten. Die Aussagen sollen zwar nachträglich veröffentlicht werden, kritische Stellen werden aber geschwärzt. Bürgerrechtsgruppen hatten gegen dieses Verfahren protestiert.
Mit großem Interesse dürfte auch Wikileaks-Gründer Julian Assange nach Fort Meade blicken. Der Australier hatte sich vor etwa einem Jahr in die diplomatische Vertretung Ecuadors in London geflüchtet, weil er nach Schweden ausgeliefert werden soll. Die Behörden in Stockholm suchen ihn wegen angeblicher Sexualdelikte. Assange befürchtet aber, von Stockholm in die USA gebracht zu werden, wo auch ihm wegen der Enthüllungen lebenslange Haft droht.