Was Moskau bald von Fluggästen wissen will

Airlines sollen ab 1. Juli Details über ihre Passagiere preisgeben. Die EU reagiert empört.

Brüssel. Wie schon die USA, Australien und Kanada entwickelt auch Russland Appetit auf die Daten europäischer Flugpassagiere. Mit den drei Ländern hat die Europäische Union bereits Abkommen über einen Datenaustausch. Schon vor einem Jahr hatte Moskau Interesse bekundet, ebenfalls solche Angaben zu erhalten. Das EU-Recht schützt diese aber, somit müsste erst ein Datenschutzabkommen unterzeichnet werden.

Jetzt versuchen es die Russen auf anderem Wege. Ein Erlass verpflichtet ausländische Fluglinien, vom 1. Juli an für sämtliche Passagiere, die sie durch russischen Luftraum transportieren, einen umfassenden Satz an Daten zu übermitteln — ohne legale Grundlage. Zudem verlangen die Russen Angaben, die in der Luftfahrt gar nicht erhoben werden: Mädchennamen, Art des Fluges, das Gewicht des aufgegebenen und des Bord-Gepäcks, Daten des Reisebüros. Moskau droht Fluglinien aus EU-Ländern bei einer Nichtbeachtung mit einem Verbot, russische Flughäfen oder den russischen Luftraum zu nutzen.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft warnt vor „schwerwiegenden Folgen der russischen Anweisung“. Sie verstoße „gegen Grundzüge deutschen und europäischen Datenschutzrechts“, sei „schlicht undurchführbar“, habe „katastrophale wirtschaftliche und operative Auswirkungen“.

Auch die EU-Kommission zeigt sich „sehr besorgt“. Kommissions-Chef Jose Manuel Barroso will das Thema noch beim Gipfeltreffen EU-Russland zur Sprache bringen, das am Dienstag in Jekaterinburg zu Ende geht. Schon Mitte März hatte Brüssel das russische Verkehrsministerium darauf hingewiesen, dass „die Fluglinien keine rechtliche Möglichkeit haben werden, solche Daten zu übermitteln“. Darauf habe es bis jetzt keine Antwort gegeben.

Russlands Griff nach den Daten ist so hemmungslos, dass unter europäischen Diplomaten gemutmaßt wird, Moskau glaube selbst nicht an die Realisierung. Das Ganze sei ein Manöver, um in den laufenden Verhandlungen über Visa-Erleichterungen für Russen ein Druckmittel in der Hand zu haben.