Herbe Kritik an Kanadas Ausstieg aus Kyoto-Protokoll

Ottawa/New York/Berlin (dpa) - Kanada hat mit seiner Absage an das Kyoto-Protokoll weltweit Kritik geerntet. Politiker und Klimaexperten nennen die offenbar von finanziellen Erwägungen beeinflusste Entscheidung verhängnisvoll.

Einen Tag nach der Weltklimakonferenz in Durban war Kanada als erster Staat aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen. Umweltminister Peter Kent erklärte am Montagabend in Ottawa, das Klimaabkommen von Kyoto sei für Kanada „ein Ding der Vergangenheit“. Sein Land mache von seinem Recht Gebrauch, sich offiziell von Kyoto zurückzuziehen.

Die Chefin des UN-Klimaschutzabkommens UNFCCC, Christiana Figueres, mahnte die Regierung des konservativen Premiers Stephen Harper, dass sie unabhängig vom Kyoto-Protokoll rechtlich und moralisch zur Verringerung der Treibhaus-Emissionen verpflichtet sei.

Mit der Erklärung von Kent kehrt das zweitgrößte Land der Welt dem internationalen Klimaschutzabkommen noch vor dessen Ablauf im Dezember 2012 den Rücken. Dass die Regierung in Ottawa bereits jetzt das Aus erklärt, hat nach Meinung von Kritikern vor allem finanzielle Gründe. Mit dem Ausstieg vor dem Jahresende 2011 vermeidet Kanada, wegen Nicht-Erfüllung seiner Zusagen zum Abbau von Treibhausgasen eine hohe Geldstrafe zahlen zu müssen. Kent bezifferte sie auf 14 Milliarden kanadische Dollar (10,3 Milliarden Euro), Klimaexperten in seinem Land rechnen dagegen nur mit 6 bis 9 Milliarden.

Bei der Klimakonferenz in Durban hatten sich die Teilnehmer am Wochenende auf eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls - die Vereinbarung über die Reduktion von Treibhausgasen - und Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen geeinigt. Es wurde vereinbart, bis 2015 ein Klimaabkommen mit den Nicht-Kyoto-Staaten zu verabschieden. Die Länder, die sich noch zum Kyoto-Prozess bekennen, stoßen lediglich rund 15 Prozent der globalen Treibhausgase aus.

Kanada, Russland und Japan hatten schon im vergangenen Jahr signalisiert, dass sie die Verlängerung des Abkommens nicht unterzeichnen wollten. Kanadas Umweltminister Kent nannte als offizielle Begründung für den Rückzug : „Das Kyoto-Protokoll bezieht die USA und China, die beiden Länder mit dem größten Ausstoß (von Treibhausgasen), nicht mit ein und kann deshalb nicht funktionieren. (...) Es ist inzwischen klar, dass Kyoto nicht zu einer globalen Lösung für den Klimaschutz führt. Wenn überhaupt, ist es ein Hindernis.“

Die Bundesregierung reagierte gelassen auf den Ausstieg. „Dass Kanada aus diesem Regime herauswill, ist keine politische Neuigkeit“, sagte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Der Schritt sei keine Überraschung. Das Ministerium verwies wie die kanadische Regierung darauf, dass das Kyoto-Abkommen für die weltweite Reduzierung von Treibhausgasen nicht ausreichend sei. „Umso bedeutsamer ist es, dass es im Durban-Paket gelungen ist, das Fundament und die Dynamik für den Abschluss eines globalen, rechtlich bindenden Abkommens zu legen.“

Die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages, Eva Bulling-Schröter (Linke), hingegen hält die Begründung Kanadas für „eine Frechheit“. „Hier drückt sich ein Land, das beim Klimaschutz versagt, mit einer fadenscheinigen Begründung vor der Verantwortung. Der Ausstieg Kanadas ist verlogen und feige“, erklärte sie.

„Dass Kanada aus dem Kyoto-Protokoll aussteigen will, ist eine verhängnisvolle Flucht aus der Verantwortung“, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth dem „Hamburger Abendblatt“ (Mittwoch). Die Begründung des Ausstiegs sei „zynisch“. Kanada wolle sich lediglich vor den Strafzahlungen drücken. Der Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell fordert einen Boykott kanadischen Erdöls.

Nach Ansicht des Kieler Klimaforschers Mojib Latif beweist Kanadas Handeln das politische Versagen beim Klimaschutz. „Das unterstreicht nur das, was in Durban schon klar geworden ist. Das Thema ist (...) inzwischen weg von der Agenda der internationalen Politik“, sagte Latif im Bayerischen Rundfunk. Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen habe sich seit 1990 nicht verringert, sondern sei um 40 Prozent gestiegen. „Das heißt, es gab Klimaschutz nur auf dem Papier, aber nicht real“, sagte er.