Hoffen auf Waffenruhe in Syrien
New York/Damaskus (dpa) - Im blutigen Syrien-Konflikt sollen von Dienstag an die Waffen schweigen. Doch bei aller Hoffnung gibt es viel Skepsis, dass die ausgehandelte Waffenruhe eingehalten wird.
Beginnen soll der Waffenstillstand - nach gut einem Jahr mit Kämpfen und mehr als 9000 Toten - um 6.00 Uhr Ortszeit (5.00 Uhr deutscher Zeit). Das Regime von Präsident Baschar al-Assad behauptet, dass es schon jetzt Truppen aus einigen Städten abgezogen hat. Die Opposition bestreitet das - und spricht sogar von neuen Offensiven.
Der Syrien-Sonderbeauftragte Kofi Annan erklärte zu der Waffenruhe: „Die syrische Regierung hat dieser Forderung zugestimmt, und ich dränge Damaskus dazu, der Verpflichtung nachzukommen.“ Jetzt müssen Taten folgen, betonte der gemeinsame Syrien-Beauftragte von Vereinten Nationen und Arabischer Liga am Donnerstag per Video in der UN-Vollversammlung in New York.
Von den sechs Punkten des Friedensplans sei einer „lebenswichtig“: „Der sofortige Stopp der Gewalt. Wir müssen die Panzer, Hubschrauber, Mörser und Gewehre zum Schweigen verurteilen.“ Annan drängte auch die Opposition, die Waffen ruhen zu lassen. Beide Seiten haben von 6.00 Uhr an 48 Stunden Zeit, die Waffenruhe in allen Truppenteilen durchzusetzen. Diese Frist wurde gesetzt, weil die Opposition nicht über eine einheitliche Führung verfügt.
Annans Sprecher Ahmed Fawzi sagte in Genf, die syrische Regierung habe den Abzug von Soldaten aus Deraa, Idlib und der lange umkämpften Ortschaft Al-Sabadani verkündet. Ein Assistent des Kommandeurs der Freien Syrischen Armee, Oberst Riad al-Asaad, sagte der Nachrichtenagentur dpa jedoch: „Es gibt keinen Rückzug. Im Gegenteil, die Zahl der Truppen hat zugenommen und auch der Radius, in dem sie operieren. In den Dörfern außerhalb von Aleppo hat die Armee heute sogar Kampfhubschrauber eingesetzt.“
Annan nannte in der Vollversammlung das Ziel, „Syriens Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität“ zu wahren. Gleichzeitig forderte der frühere UN-Generalsekretär aber, dass der Waffenstillstand von den UN überwacht werden müsse. Zudem müssten humanitäre Helfer vollen Zugang erhalten. Nach seinen Angaben traf am Donnerstag ein Vorausteam der UN für technische Erkundigungen in Damaskus ein.
Zuvor hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Syrien-Krise als „drängendstes Thema dieses Zeit“ bezeichnet: „Wir kämpfen seit mehr als einem Jahr um den Frieden. Aber die Zahl der Toten steigt dennoch jeden Tag.“ Die Menschen würden Opfer von furchtbarer Gewalt, einschließlich Vergewaltigungen. Städte und Wohngebiete seien in Kriegsgebiete verwandelt worden. „Mehr als eine Million Menschen braucht humanitäre Hilfe, Zehntausende sind in Nachbarländer geflüchtet. Wir dürfen das syrische Volk nicht alleinlassen!“
Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete unterdessen heftige Gefechte zwischen Regierungstruppen und Deserteuren im nördlichen Umland von Aleppo. Drei Soldaten seien getötet worden. In zwei Ortschaften seien die angreifenden Soldaten über die Lautsprecher der Moscheen zur Fahnenflucht aufgerufen worden. In Anadan nordwestlich von Aleppo seien rund 100 Soldaten desertiert. Sie hätten dann den Weg für Flüchtlinge freigekämpft.
Aktivisten in Duma im Umland von Damaskus berichteten, die Armee habe die Stadt am Morgen mit Panzern angegriffen. „Die Zivilisten sind in Panik, Kinder weinen, überall hört man Schreie“, hieß es. Am Vortag sollen landesweit 92 Menschen von den Regierungstruppen getötet worden sein. Am Donnerstag zählte Regimegegner 31 Tote. Wegen der Medienblockade durch die Regierung sind derartige Angaben oft nicht von unabhängiger Seite zu überprüfen. Unterdessen stieg die Zahl der in die Türkei geflüchteten Syrer auf fast 21 000 Menschen.
Unterhändler Annan will am 11. April nach Teheran reisen, um mit der iranischen Regierung über den Konflikt zu sprechen. Der Iran ist in der Region der engste Verbündete des Assad-Regimes.