Hoffnung im Athener Sondierungsmarathon
Athen (dpa) - Erster Hoffnungsschimmer in der griechischen Regierungskrise: Die Sozialisten (Pasok) und die gemäßigte kleine Partei Demokratische Linke (Dimar) haben sich auf die Bildung einer breiten Koalition geeinigt.
Das Problem: Andere müssen mitmachen.
Ob das geht, soll möglichst noch diesen Freitag bei einem Treffen des Sozialistenchefs Evangelos Venizelos mit dem Vorsitzenden der Konservativen, Antonis Samaras, und dem Chef des Bündnisses der Radikalen Linken, Alexis Tsipras, geklärt werden.
Es ist das erste Mal seit den Wahlen am 6. Mai, dass sich zwei Parteien auf eine Kooperation einigen. Allerdings haben Pasok und Dinar zusammen nur 60 Sitze im 300-köpfigen Parlament und brauchen weitere Partner.
„Wir stimmen der Bildung einer Regierung aus mehreren Parteien zu, die das Land bis zu den Europawahlen 2014 führen könnte“, sagte der Dimar-Chef, Fotis Kouvelis, im Fernsehen. Zuvor hatte er sich mit dem Sozialistenchef Venizelos getroffen, der das Sondierungsmandat für die Bildung einer Regierung hat. Die Konservativen und das Bündnis der Radikalen Linken waren zuvor mit Versuchen gescheitert, eine Mehrparteienkoalition auf die Beine zu stellen.
Die angestrebte Koalition soll laut Kouvelis zwei Ziele verfolgen: Griechenland im Euroland zu erhalten und das Land stufenweise vom Sparprogramm zu lösen. Diese Regierung würde das neue Umfeld in Europa nutzen, um das Sparprogramm zu lockern und Griechenlands Gesellschaft wieder auf die Beine zu stellen, sagte er.
Pasok-Chef Venizelos begrüßte den Vorschlag der Demokratischen Linken. „Wir sind uns sehr nahe gekommen in unseren Ansichten.“ Es sei zwar kein Durchbruch, aber ein „gutes Omen“. Venizelos wollte sich noch am Freitag mit Samaras und den anderen Parteichefs treffen.
Rechnerisch könnten die Konservativen (108 Sitze) zusammen mit den Sozialisten und der Dinar regieren. Sie hätten gemeinsam 168 Stimmen, also eine bequeme Mehrheit im 300 Sitze umfassenden Parlament.
Unklar war am Donnerstagabend, wie die Konservativen reagieren werden. Ihr Chef Samaras hatte in den vergangenen Tagen auf seiner Bedingung beharrt, dass Griechenland im Euroland bleibt. Wenn das Sparprogramm gelockert werden könnte, dann wäre er auch dafür.
Unklar blieb auch, was die zweitstärkste Kraft im Parlament, das Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) vom Koalitionsvorschlag hält. Parteikreise erklärten am Donnerstagabend, die etablierten Kräfte (Sozialisten und Konservative) suchten ein „linkes Alibi“. Gemeint ist damit die Demokratische Linke. Eine offizielle Stellungnahme wurde erst nach dem Treffen Tsipras-Venizelos am Freitag erwartet.
Viele rechneten damit, dass Venizelos erst sein Mandat zurückgeben werde. Der Durchbruch könnte dann möglicherweise erst bei einem von der Verfassung vorgesehenen letzten Sondierungstreffen unter dem Vorsitz des Staatspräsidenten Karolos Papoulias erreicht werden.
Die Linksradikalen forderte unterdessen eine Revision des von der EU auferlegten Sparprogramms. Syriza-Chef Tsipras warnte in einem Brief an die Spitzen der Europäischen Union vor einer humanitären Katastrophe in Griechenland. „Die Abstimmung des griechischen Volkes vom 6. Mai nimmt dem Memorandum (Sparpakt) die rechtliche Grundlage“, heißt es im Brief, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. „Mehr als 3,5 Millionen Wähler haben dagegen gestimmt.“ Das Schreiben ging an EU-Präsident Herman van Rompuy, Kommissionspräsident José Manuel Barroso, den Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi.
Tsipras erklärte die Sparpolitik für gescheitert. Griechenland sei das einzige Land in Europa, dessen Wirtschaft in Friedenszeiten das fünfte Jahr in Folge schrumpfe, schrieb er. Die schwere Krise drohe nun zu einer humanitären Katastrophe zu werden. Beobachter bemerkten, dass die Wortwahl in Tsipras Brief viel weicher und höflicher sei als zunächst erwartet. Seine Mitarbeiter hatten angekündigt, Tsipras werde verlangen, den Sparpakt für „null und nichtig“ zu erklären.
Die griechischen Medien verglichen am Donnerstagabend die Regierungsbildung mit einem „Gordischen Knoten“. Die Chancen für eine Koalitionsregierung lägen bei fünf Prozent, die Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen bei 95 Prozent, hieß es im griechischen Radio zunächst. Nachdem die Einigung zwischen Sozialisten und der kleinen Linkspartei bekannt wurde, machte sich gedämpfter Optimismus breit.