Humanitäre Lage in Libyen spitzt sich zu
Kairo/Tripolis (dpa) - Knapp eine Woche nach der Eroberung durch libysche Rebellen spitzt sich die Lage in der Hauptstadt Tripolis immer weiter zu. Lebensmittel und Treibstoff sind knapp und teuer geworden.
Das Wasser wurde abgestellt, in den Straßen wachsen die Müllberge.
In Krankenhäusern fehlen Medikamente, wie eine Korrespondentin der Nachrichtenagentur dpa am Samstag aus der Millionenmetropole berichtete. Darüber hinaus gehen die Plünderungen in Villenvierteln von Tripolis weiter. Während die italienische Botschaft von Anhängern des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi in Brand gesteckt worden war, blieb die deutsche Botschaft bislang unbeschädigt.
Weil der libysche Übergangsrat die Sicherheitslage nicht in den Griff bekommt, erwägt er jetzt, für eine befristete Zeit Polizisten aus arabischen oder anderen muslimischen Staaten zu stationieren. Eine Hilfe durch westliche Sicherheitskräfte schloss der Chef des Rates, Mustafa Abdul Dschalil, am Samstag in Bengasi kategorisch aus.
Auch die Jagd nach dem untergetauchten langjährigen Diktator Muammar al-Gaddafi macht offenbar keine großen Fortschritte. Dschalil räumte ein, dass es derzeit keine gesicherten Informationen über den Aufenthaltsort des 69-Jährigen gebe.
Die algerische Regierung wies Berichte über einen aus Libyen eingetroffenen Konvoi mit gepanzerten Mercedes-Limousinen vehement zurück. „Algerien ist seit Monaten Ziel von einer Flut von falschen Informationen“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Amar Belani, in Algier.
Arabische Medien zitierten einen Rebellenkommandeur in der Stadt Ghadames (rund 550 Kilometer südwestlich von Tripolis), wonach Gaddafi versuche, über Tunesien zu fliehen. Auch dafür gab es keine unabhängige Bestätigung.
Knapp eine Woche nach dem Fall von Tripolis ist kein Ende der Kämpfe zwischen Rebellen und Gaddafi-Getreuen in Sicht. Allerdings haben die Aufständischen nach gleichlautenden Berichten in den meisten Stadtteilen von Tripolis die Oberhand gewonnen. Der Rebellenkommandeur für Tripolis, Abdelhakim Belhadsch, sagte, 95 Prozent der Stadt seien unter ihrer Kontrolle.
Dagegen dauerten die erbitterten Kämpfe zwischen Rebellen und Gaddafi-Anhängern am internationalen Flughafen von Tripolis weiter an. Die Aufständischen haben außerdem Sirte, die Geburtstadt Gaddafis, von Westen und Osten eingeschlossen. Sie drohen mit einem Angriff, falls die Gaddafi-Truppen nicht aufgeben. Mit Bani Dschawad sei eine der letzten Hochburgen Gaddafis in die Hand der Rebellen gefallen, berichtete der arabische Fernsehsender Al-Dschasira.
Der Informationsminister der Übergangsregierung, Mohammed Schammam, ist überzeugt, dass sich die militärische Lage schnell „klären und stabilisieren“ werde. „Tripolis war 42 Jahre unter der Kontrolle eines Diktators“. Seine Regierung müsse jetzt noch „unter dem Nullpunkt“ neu beginnen.
Wegen der fortwährenden Kämpfe hat sich die Versorgungslage in der libyschen Hauptstadt dramatisch verschlechtert. Die Geschäfte in der Innenstadt von Tripolis blieben am Samstag geschlossen. Auf den Straßen waren nur wenige Zivilisten zu sehen.
Ein Mann, der auf der Straße aus einem Kleinlaster heraus Mineralwasserflaschen verkaufte, wurde seine Ware binnen weniger Minuten los. „Die Großhändler, von denen wir normalerweise unsere Ware beziehen, haben geschlossen. Es gibt kaum noch Wasser in Flaschen. Auch Zucker und Öl fehlen“, sagte Geschäftsinhaber Salah al-Arabi.
Großbritannien kündigte an, humanitäre Hilfe im großen Stil in das Bürgerkriegsland zu schicken. Es gehe um Nahrungsmittel und Medikamente. Nach Angaben des Roten Kreuzes werden vor allem Medikamente zur Behandlung von Krebs oder Diabetes knapp.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte die Bereitschaft der Bundesregierung, beim Wiederaufbau zu helfen. „Wenn nun ein neues Libyen aufgebaut wird, wird Deutschland selbstverständlich unterstützend daran teilhaben“, sagte sie der „Bild am Sonntag“.