IAEA-Experten im Iran - Warnung vor Eskalation
Teheran/Wien/Washington (dpa) - Mit einer möglicherweise entscheidenden Initiative im Atomkonflikt mit dem Iran will die Internationale Atomenergiebehörde IAEA eine drohende weitere Eskalation abwenden.
Ein hochrangiges IAEA-Expertenteam nahm seine Arbeit in Teheran auf.
Die IAEA erhofft sich dabei Aufklärung über das vermutete iranische Kernwaffenprogramm. Teheran hat seit 2008 Fragen dazu nicht beantwortet und eine mögliche militärische Dimension seines Atomprogramms stets bestritten. Das Team soll nach den Worten von Außenminister Ali Akbar Salehi Zugang zu allen atomaren Anlagen im Iran erhalten.
Westliche Politiker warnten angesichts einer für Sonntag geplanten und inzwischen vertagten Entscheidung des iranischen Parlaments über ein Ölembargo gegen Europa vor einer Eskalation. Die USA haben bereits Bomben entwickelt, um unterirdische Bunkeranlagen zu sprengen. Ihre Schlagkraft reicht einem Medienbericht zufolge aber nicht für die Zerstörung der unterirdischen Atomanlagen im Iran. Das Pentagon wolle daher eine Weiterentwicklung der Bomben, berichtete das „Wall Street Journal“. Der Vorstoß sei Teil der Planung eines möglichen Angriffs auf die Atomanlagen.
Der Iran hat in den vergangenen 15 Jahren stets bestritten, eine Atombombe bauen zu wollen. Eine der Atomanlagen, die für eine IAEA-Inspektion infrage käme, wäre die lange geheim gehaltene unterirdische Anlage Fordo, die rund 160 Kilometer südlich von Teheran liegt. Die Anlage, in der Uran bis auf 20 Prozent angereichert werden soll, soll im Februar den Betrieb aufnehmen. Eine 20-prozentige Anreicherung reicht nicht zum Bau von Atomwaffen aus.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will bei einem Treffen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eine weitere Verschärfung der internationalen Iran-Sanktionen fordern. Ban wird in dieser Woche zu einem Besuch in der Region erwartet und trifft Netanjahu am Mittwoch. Außenminister Guido Westerwelle äußerte sich vor Beginn einer Nahostreise besorgt über zunehmende regionale Spannungen wegen des Streits um das iranische Atomprogramm.
Der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi sagte dem IAEA-Team zu, dass es alle iranischen Atomanlagen inspizieren könne. „Sie dürfen jede Atomanlage besuchen, die sie uns nennen“, sagte Salehi am Rande des Afrika-Gipfels in Addis Abeba, wie die Agentur Irna berichtete. Zuvor war gerätselt worden, ob das IAEA-Team unter Führung von Chefinspektor Herman Nackaerts auch iranische Atomanlagen inspizieren oder lediglich Fragen zum Atomprogramm des Landes stellen kann. Es wurde erwartet, dass die IAEA-Experten mit dem iranischen Atom-Chefunterhändler Said Dschalili und dem Direktor des iranischen Atomprogramms, Ferejdun Abbasi-Dawani, zusammentreffen.
Das IAEA-Team will bis zum Dienstag im Iran bleiben. „Wir freuen uns darauf, einen Dialog zu beginnen, der schon lange überfällig ist“, sagte Nackaerts vor dem Start in Wien. Aus dem Umfeld der Wiener Atom-Behörde hieß es, dass es zunächst darum gehe, in Gesprächen eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über das vermutete iranische Waffenprogramm zu erreichen. Nach ihrer Ankunft in Teheran wurden die Spezialisten am Samstagabend zum Hinterausgang gebracht; wartende Medienvertreter hatten keinen Zugang zu ihnen.
Der Westen wirft dem Iran vor, unter dem Deckmantel der zivilen Atomforschung am Bau von Kernwaffen zu arbeiten, und hat umfangreiche Sanktionen gegen das Land verhängt. Nach Erkenntnissen der IAEA haben iranische Wissenschaftler zumindest bis 2010 an der Entwicklung eines atomaren Sprengkörpers gearbeitet.
Die EU hatte Anfang der Woche ein Ölembargo gegen den Iran beschlossen. Damit soll die Regierung in Teheran dazu gebracht werden, eine internationale Kontrolle seines Atomprogramms zuzulassen. Der Iran hatte damit gedroht, die Straße von Hormus zu blockieren. Die Meerenge ist eine Schlagader für die Weltwirtschaft: Der Löwenanteil der globalen Ölversorgung muss durch dieses Nadelöhr. Salehi wiegelte am Sonntag ab: „Die Straße von Hormus ist eine bedeutende Route nicht nur für uns und die Anrainer sondern auch für die ganze Welt, daher betrachten wir uns voll verantwortlich für die Sicherheit der Meerenge, damit alle Länder von ihr profitieren können.“
Die USA halten sich in dem Konflikt alle Optionen offen. Das Land hat einen „Massive Ordnance Penetrator“ genannten Bunkerbrecher entwickelt, um die massiv befestigten Anlagen der iranischen und nordkoreanischen Atomprogramme zu zerstören. Das „Wall Street Journal“ berichtete am Samstag, Versuche hätten aber gezeigt, dass die Bombe einige iranische Anlagen nicht zerstören könne. Die Bombe müsse vor ihrer Explosion tiefer in Stein, Beton oder Stahl eindringen. US-Verteidigungsminister Leon Panetta hatte am Donnerstag Mängel eingeräumt und die Weiterentwicklung der Bombe angekündigt. Sie werde bald imstande sein, auch die tiefsten iranischen Bunker zu zerstören, sagte Panetta.