IAEA: Iran hat jahrelang an Atomwaffen geforscht
Wien (dpa) - Der Iran hat nach Überzeugung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bis vor einigen Jahren an einem geheimen Forschungsprogramm zur Entwicklung eigener Atomwaffen gearbeitet.
Das geht aus einem Bericht der IAEA hervor, der der Deutschen Presse-Agentur in Wien vorlag. Kurz vor dem Bau einer Atombombe stand die Islamische Republik - anders als von Israels Regierung mehrfach behauptet - demnach aber nie.
Die Behörde betont, dass die Bemühungen vor allem bis 2003 stattfanden. Danach habe es bis 2009 Computer-Simulationen im Zusammenhang mit Nuklearsprengköpfen gegeben. Seither gebe es keine Anzeichen mehr für entsprechende Aktivitäten. Die Forschung Teherans sei nicht über Machbarkeits- und Wissenschaftsstudien sowie den Erwerb von technischer Expertise hinausgegangen. Der Iran habe auch kein Nuklearmaterial für militärische Zwecke beiseitegeschafft.
Der Verdacht einer „möglichen militärischen Dimension“ des iranischen Atomprogramms hatte seit mehr als zehn Jahren die Beziehungen der internationalen Gemeinschaft mit Teheran überschattet. Die IAEA bestand hartnäckig auf Aufklärung.
Die USA fühlen sich durch den Bericht der Atomenergiebehörde in ihrer Sichtweise bestärkt. „Es bestätigt das, was wir bereits zuvor festgestellt hatten“, sagte Mark Toner, Sprecher des US-Außenministeriums, am Mittwoch in Washington. „Sie haben an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet.“ Die USA hätten diese Erkenntnisse in einem Geheimdienstbericht 2007 veröffentlicht. Die kürzlich erreichte Übereinkunft für ein Abkommen mit dem Iran werde dafür sorgen, das ein solches Atomwaffenprogramm nicht wieder möglich sei.
Der Iran wies den IAEA-Bericht zurück. „Unsere Atomforschungen (...) waren stets standardgemäß und haben nur friedliche Ziele verfolgt“, sagte Vizeaußenminister Abbas Araghchi. Atomwaffen seien nie Teil der iranischen Verteidigungsdoktrin und Ziel der Forschungen gewesen, sagte er der Nachrichtenagentur Isna.
Nach Auffassung der israelischen Regierung beweist der IAEA-Bericht hingegen „ohne jeden Zweifel“, dass der Iran auch nach 2003 heimlich an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet hat. Der Bericht decke auch „iranische Techniken des Betrugs und der Vertuschung“ auf, erklärte das Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Netanjahu gilt als schärfster Kritiker des internationalen Atomabkommens mit dem Iran. Israel fühlt sich durch die Islamische Republik existenziell bedroht und hat mehrfach indirekt mit einem Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen gedroht.
Die IAEA hat in ihrem Bericht versucht, insgesamt zwölf konkrete Fragen zu beantworten. Sie galten unter anderem der Beschaffung von spaltbarem Material, der Entwicklung von atomwaffenfähigen Zündern, verschiedenen Tests und konkreten Modellen zur Bestückung von Raketen mit Atomsprengköpfen. Die IAEA räumt unter anderem ein, dass zum Beispiel die umstrittenen Zünder auch zu zivilen Zwecken taugen.
Seit dem Atom-Deal mit dem Iran vom 14. Juli herrscht politisches Tauwetter zwischen der internationalen Gemeinschaft und Teheran. Im Sommer hatte der Iran nach langjährigen Verhandlungen mit der 5+1-Gruppe (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) in einem umfassenden Vertrag der drastischen Begrenzung seines Atomprogramms zugestimmt, das sich auf die friedliche Nutzung der Kernenergie beschränken soll. Das ist die Voraussetzung für die von Teheran erhoffte Aufhebung der Wirtschaftssanktionen.
Als nächsten Schritt will die 5+1-Gruppe einen Resolutionsentwurf formulieren. Ein für Mitte Dezember erwartetes außerordentliches Treffen des IAEA-Gouverneursrats in Wien wird über diese Resolution abstimmen. Angesichts der erwarteten Zustimmung gilt die weitere Umsetzung des Atomabkommens als gesichert.