Lage im Überblick Katar: Waffenruhe in Gaza soll schon Sonntagmorgen beginnen

Tel Aviv/Gaza/Doha · Gegner des Abkommens mit der Hamas können noch Einspruch beim Obersten Gericht in Israel einlegen. Mit Beginn der Waffenruhe am Sonntag wird aber gerechnet. Dann sollen auch erste Geiseln freikommen.

Katar: Waffenruhe in Gaza soll schon Sonntagmorgen beginnen
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Die zwischen Israel und der islamistischen Hamas vereinbarte Waffenruhe soll nach Angaben des Vermittlerstaats Katar bereits am Sonntagmorgen um 7.30 Uhr MEZ im Gazastreifen in Kraft treten. Darauf hätten sich die beiden Konfliktparteien und die Vermittler geeinigt, schrieb der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madschid al-Ansari, in einem Post auf der Plattform X.

Zuvor hatte es geheißen, die Feuerpause solle um 11.15 Uhr MEZ in Kraft treten. Laut der israelischen Nachrichtenseite „Ynet“ ist die Freilassung der ersten Geiseln aber weiterhin um 15.00 Uhr MEZ geplant.

Nach Israels Sicherheitskabinett stimmte auch die gesamte Regierung des jüdischen Staates nach siebenstündiger Sitzung für die Vereinbarung mit der Hamas, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Nacht mitteilte. Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hatte Medien zufolge gedroht, die Koalition im Fall einer Billigung zu verlassen. Laut israelischen Medien stimmten am Ende 24 Minister für den Deal, acht dagegen.

Wie es jetzt weitergeht

  • Nach israelischem Recht dürfen Angehörige von Terroropfern gegen die Freilassung bestimmter palästinensischer Häftlinge Einspruch einlegen. Für eine solche Petition beim Obersten Gericht haben sie nach dem Regierungsbeschluss 24 Stunden Zeit. Es wird aber nicht erwartet, dass die Richter einen Grund dafür sehen, die Vereinbarung zu durchkreuzen.
  • Die Waffenruhe soll gemäß dem Abkommen zunächst für 42 Tage gelten.
  • In der Zeit sollen 33 der insgesamt 98 Geiseln freikommen, die sich seit vielen Monaten und teils sogar Jahren in der Gewalt der Hamas befinden. Am Sonntag sollen die ersten drei von ihnen übergeben werden. Berichten zufolge wird die Hamas heute bekanntgeben, um wen es sich dabei handelt. Ausgegangen wird von drei Zivilistinnen.
  • Im Gegenzug werden laut israelischen Angaben Hunderte palästinensische Häftlinge aus Israels Gefängnissen entlassen. Israels Justizministerium veröffentlichte eine Liste mit den Namen von mehr als 90 Häftlingen, die am Sonntag gegen die ersten Geiseln ausgetauscht werden sollen.
  • Der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza soll wieder öffnen und die Einfuhr humanitärer Hilfe für die Palästinenser deutlich aufgestockt werden.
  • Israels Militär soll aus dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens abziehen. Die in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens geflohenen Einwohner sollen sich wieder frei bewegen und unter internationaler Aufsicht in ihre Wohngebiete im Norden Gazas zurückkehren dürfen.
  • Die Details der zweiten und dritten Phase des Abkommens über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen kompletten Abzug Israels aus dem Gazastreifen wollen die Konfliktparteien während der ersten Phase klären.

Hält das Abkommen?

Wie stabil das Abkommen langfristig sein wird, ist fraglich. Die intensiven Verhandlungen der vergangenen zwei Tage, als es in letzter Minute noch um strittige Detailfragen ging, zeigten einmal mehr, wie heikel das Gesamtpaket ist. Netanjahu teilte erst am frühen Freitag mit, dass eine Einigung erzielt worden sei - fast zwei Tage, nachdem der Vermittlerstaat Katar eine solche eigentlich bereits verkündet hatte.

Angesichts des tiefen Misstrauens ist offen, ob sich Israels Regierung und die Hamas über Wochen an die vereinbarten Schritte halten werden und ob zum Beispiel bestimmte Passagen jeweils anders ausgelegt werden. Der Ausgang der Verhandlungen in den nächsten Phasen des Deals über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen Abzug Israels aus Gaza ist denn auch ungewiss.

So müssen sich beide Kriegsparteien unter anderem noch über die Listen der restlichen freizulassenden Hamas-Geiseln sowie der von Israel freizulassenden Häftlinge einigen. Unter den Verschleppten sind auch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, darunter mehrere Deutsche. Wie die „Times of Israel“ in der Nacht berichtete, befinden sich auf einer neuen Liste des israelischen Justizministeriums mehr als 700 palästinensische Häftlinge, darunter mehrere wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte Mitglieder der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Dschihad und der Fatah-Bewegung des im Westjordanland regierenden Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas.

Offen sind auch der Zeitplan und das Ausmaß des Rückzugs des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen sowie die Frage, wie das relativ kleine Gebiet am Mittelmeer nach dem Ende des Krieges regiert werden soll.

Setzt Israel den Krieg fort?

Sollte das Abkommen scheitern, könnten die Kämpfe in dem weitgehend zerstörten Palästinensergebiet erneut ausbrechen - zumal es auf beiden Seiten entschiedene Befürworter einer Fortsetzung des Krieges gibt. So könnte sich Israels Ministerpräsident Netanjahu dafür entscheiden, nach der ersten Phase aus dem Abkommen auszusteigen, um den Zusammenbruch seiner Regierungskoalition zu vermeiden, sagte Daniel Levy, ein früherer israelischer Regierungsbeamter und Verhandlungsführer, dem „Wall Street Journal“.

Laut der US-Nachrichtenseite „Axios“ soll Netanjahu beim Treffen des Sicherheitskabinetts gesagt haben, die USA hätten ihm für den Fall, dass die weiteren Verhandlungen scheitern und Israels Sicherheitsforderungen nicht erfüllt werden, Unterstützung für die Fortsetzung des Krieges zugesichert - und zwar sowohl die Regierung des scheidenden Präsidenten Joe Biden als auch das Lager seines designierten Nachfolgers Donald Trump. Die US-Nachrichtenseite berief sich dabei auf einen Vertrauten Netanjahus.

Sicherheitskreise: Öffnung von Grenzübergang wird vorbereitet

Derweil laufen die Vorbereitungen zur Öffnung des Grenzübergangs Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen laut ägyptischen Sicherheitsquellen auf Hochtouren. Dutzende Lastwagen stünden bereit. Insgesamt wurden nach Angaben des Ägyptischen Roten Halbmonds rund 600 Lkw vorbereitet. Die palästinensische Seite des Grenzübergangs wird seit Mai vergangenen Jahres von Israels Armee kontrolliert. Der Übergang ist seitdem geschlossen.

© dpa-infocom, dpa:250117-930-347904/4

(dpa)