Kiew: Droht die Spaltung des Landes?
Trotz der historischen Umwälzungen hat die Ukraine noch einen langen Weg vor sich.
Kiew. Wie es nach der Absetzung von Präsident Viktor Janukowitsch in der Ukraine weitergeht — dazu einige Fragen und Antworten:
Auf dem Maidan in Kiew war zu sehen, dass die Haft und ihr Bandscheibenvorfall nicht spurlos an Julia Timoschenko vorübergegangen sind.
Sie zeigte sich aber kämpferisch mit geballter Faust und will weiter die führende Rolle im Land innehaben. Die 53-Jährige ist auch wegen ihrer Vergangenheit als superreiche Gasmanagerin nicht unumstritten. Viele Ukrainer sehen sie als Teil des Systems, in dem Oligarchen mitmischen.
Sie gilt unter den Persönlichkeiten der Opposition als mit Abstand schillerndste Figur — stärker als etwa der im Westen bekannte Ex-Profiboxer Vitali Klitschko. Ihre Tochter Jewgenija Timoschenko sagte unlängst, ihre Mutter setze sich dafür ein, dass alle Führer der einzelnen Gruppen der zersplitterten Opposition an einer Wahl teilnehmen. Dann würden sich im ersten Wahlgang die stärksten Köpfe durchsetzen. Klitschko ist zweimal bei Bürgermeisterwahlen in Kiew gescheitert.
USA, EU und auch Russland erkennen die historischen Umwälzungen in dem krisengeschüttelten Land an. Niemand hält nach seiner Flucht noch an Präsident Viktor Janukowitsch fest. Alle Seiten weisen aber darauf hin, dass ein Machtwechsel erst komplett sein kann, wenn er durch demokratische Wahlen legitimiert ist.
Auch Russland fordert Stabilität. Moskaus Außenminister Sergej Lawrow hatte immer wieder vor der Gefahr gewarnt, dass ultranationalistische Kräfte an die Macht kommen könnten. Russland, das wirtschaftlich eng mit dem „Bruderstaat“ verbunden ist, hatte der vor dem Staatsbankrott stehenden Ukraine zuletzt Milliardenhilfen versprochen — will aber keine „rechte Diktatur“.
Viele sehen die Gefahr eines Zerfalls des Landes, das als gespalten gilt. Im Osten und Süden liegen die bevölkerungsreichen Industriestädte des Landes und die großen russischsprachigen Gebiete. Viele dort schauen nach Moskau. Der ukrainische Westen mit seinen starken nationalistischen Tendenzen orientiert sich eher in Richtung EU.
Außerdem sehen viele Russen bis heute auch die Halbinsel Krim, auf der Moskaus Schwarzmeerflotte stationiert ist, als Teil ihres Herrschaftsbereichs. Die Übergangsregierung will eine Spaltung unter allen Umständen verhindern. In einer Erklärung betont das Parlament in Kiew, „Ausdrücke von Separatismus“ und andere Angriffe auf die nationale Sicherheit würden nicht gestattet.
Nach den Umwälzungen am Wochenende scheint eine akute Gefahr von neuer Gewalt erst einmal vom Tisch — alle staatlichen Schaltstellen werden von den neuen Machthabern kontrolliert. Es gibt bisher keinen Widerstand und wohl auch keine Kraft, die einen solchen Krieg führen könnte.
Dem abgesetzten Präsidenten Janukowitsch gehen die Leute von der Fahne. Sollten die extremen Rechten an die Macht kommen, schließen Beobachter neue Gewalt nicht aus.