Kinder-Onkologin über Sterbehilfe: „Mich hat noch nie ein Kind gefragt“

Die Onkologin Gisela Janßen lehnt das belgische Gesetz ab.

Foto: imago

Düsseldorf. Die Düsseldorfer Kinder-Onkologin Dr. Gisela Janßen betreut seit 20 Jahren sterbende Kinder zu Hause. Die Leiterin des Kinderpalliativteams der Uni-Klinik kann die Entscheidung des belgischen Parlaments nicht nachvollziehen. „Mich hat noch nie ein Kind gefragt: ,Kannst du mir eine Spritze geben?’ Im Gegenteil, die Kinder haben noch ganz viel vor“, sagt die Medizinerin. Ihre Patienten wollen beispielsweise noch ein letztes Mal in Urlaub fahren, sich bei all ihren Angehörigen und Freunden verabschieden. „Sie wissen auch alle, was es bedeutet zu sterben. Egal, welches Alter“, so Janßen.

Auch Gabriele Wiebel von der Initiative für krebskranke Kinder Wuppertal kann das bestätigen. „Die Kinder kämpfen, die geben nicht auf. Ich habe in den 28 Jahren, die ich für die Initiative arbeite, noch nie erlebt, dass jemand um Sterbehilfe gebeten hat“, sagt sie.

„Bislang haben mich auch noch keine Eltern nach der Spritze gefragt“, fügt die Kinder-Onkologin hinzu. Man habe heute in der Medizin so viele Möglichkeiten, dass man den Sterbenden auch zu Hause helfen könne. So können schmerzstillende Medikamente und Infusionen gegeben werden, um das Leiden zu lindern. „Es gibt nur eine Situation, die wirklich schwierig ist — wenn die Kinder Luftnot haben“, so Janßen. Aber auch dann könne man helfen. Der Patient werde sozusagen in den Schlaf gelegt. Dieses Gesetz sei nicht notwendig.

In Belgien haben die Parlamentarier ihrer Meinung nach den Fehler gemacht, von der Erwachsenen-Medizin auszugehen. „Erwachsene wünschen sich häufiger zu sterben, weil sie im Vergleich zu Kindern nicht so einen Background haben. Viele sind alleine“, so die Medizinerin. Zudem treten bei ihnen auch ganz andere Krankheitsbilder wie Demenz oder Parkinson auf. Man könne Kinder nicht mit Erwachsenen vergleichen. Außerdem sei die pflegerische Versorgung in Belgien häufig nicht den Möglichkeiten entsprechend, und die Kranken würden leiden.

„Ich bin froh, dass es dieses Gesetz in Deutschland nicht gibt, und ich so etwas nicht machen muss“, sagt die Medizinerin. „Ich komme gerade von einem Patienten, der heute gestorben ist, und sein Vater hat mir erzählt, wie wichtig die letzten zwei Wochen zu Hause für ihn und den Rest der Familie waren. Das hätte er nicht missen wollen“, erzählt Janßen.