Sterbehilfe: Herz und Verstand im Widerstreit

Belgien erlaubt Sterbehilfe für unheilbar kranke Kinder

Ein Kommentar von Lothar Leuschen.

Foto: Michaelis, Judith

Diese Situation wünscht niemand seinem ärgsten Feind. Die Entscheidung, ein Kind sterben zu lassen, ihm sogar beim Sterben zu helfen, ist vermeintlich das Schlimmste, was ein Mensch tun kann. Genau darüber hatte aber das belgische Parlament am Donnerstag abzustimmen.

Dürfen Ärzte einem todkranken Kind Sterbehilfe leisten, wenn es das ausdrücklich wünscht? Sie dürfen. Belgiens Abgeordnete glauben, den leidenden Patienten damit einen letzten Dienst zu erweisen.

Das ist einerseits verständlich, schnürt einem beim Gedanken an die eigenen Kinder oder Enkelkinder jedoch die Kehle zu. Stirbt die Hoffnung nicht zuletzt? Sind nicht schon viele Zeichen und Wunder geschehen bei Patienten, die dem Tode geweiht zu sein schienen? Kann ein Kind so eine elementare Entscheidung überhaupt treffen? Darf ein Mensch das Leben eines anderen Menschen beenden, auch wenn der sich das noch so glaubhaft wünscht?

Er darf, sagen die belgischen Politiker. Aber ist es gerecht, dass der erwachsene Gesunde seinen Verlustschmerz über den körperlichen Schmerz des todkranken Kindes stellt? Ist es gerecht, dass auch deutsche erwachsene Patienten zum Sterben in die Schweiz fahren können, während Kindern dieser Weg versperrt ist?

Am Donnerstag hat Belgien eine Antwort gegeben, aber Konsens ist sie nicht. Die Kirchen protestieren, weil „Du sollst nicht töten“ das zentrale aller Gebote ist. Darüber darf sich auch ein Staat nicht hinwegsetzen.

Nicht einmal 100 Kilometer weiter westlich ist das nun anders, wenn der Sterbehilfe auch enge Grenzen gesetzt sind. Wohl dem, der mit seinem Ja oder mit seinem Nein im Parlament seinen Frieden machen kann. Bis zu fünfmal im Jahr wird er in Belgien an sein Votum erinnert werden. So oft fällt in Belgien die Entscheidung für den Tod, gegen das Leben eines kranken Kindes.

Belgien ist einen schweren Weg gegangen. In Deutschland macht die Politik es sich dagegen leicht. Sie erklärt aktive Sterbehilfe zum Tabu und redet nicht weiter darüber. Das wird sich ändern. Sterbetourismus von Kindern ist nichts, was eine Gesellschaft schweigend ertragen kann.