Klagen wegen Kundus-Luftangriff abgewiesen
Bonn (dpa) - Rund vier Jahre nach dem umstrittenen Luftangriff von Kundus hat das Bonner Landgericht erste Schadenersatzforderungen von Hinterbliebenen zurückgewiesen.
Der Angriff auf zwei von Taliban-Kämpfern gekaperte Tanklastwagen war im September 2009 von Bundeswehr-Kommandeur Georg Klein angeordnet worden. Dabei kamen etwa 100 Menschen ums Leben, darunter viele Zivilisten.
In einem ersten Zivilprozess dieser Art wies das Bonner Landgericht die Klagen als unbegründet ab. Oberst Klein sei „keine schuldhafte Verletzung vom Amtspflichten“ hinsichtlich der Schonung von Zivilpersonen vorzuwerfen. Erst bei einem solchen Verstoß hätte sich ein Anspruch auf eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland ergeben können, sagte Richter Heinz Sonnenberger.
Mit dem Urteil wurde der Prozess ohne weitere Beweisaufnahme beendet und auch Klein muss nicht mehr als Zeuge aussagen. Dies hatten die Klägeranwälte beantragt. Anwalt Karim Popal kündigte an, in Berufung zu gehen. Sie müsste vom OLG Köln als nächster Instanz geprüft werden.
Klein sei zusammen mit einem Fliegerleitoffizier im Feldlager Kundus gewesen und habe sich bei einem Informanten des Militärs in der Nähe der Tanklastwagen insgesamt siebenmal rückversichert, dass dort „Aufständische“ (Taliban) und keine Zivilisten gewesen seien.
Außerdem habe für das etwa sieben Kilometer entfernte Feldlager der Bundeswehr eine akute Gefahrenlage durch eventuell drohende Anschläge der Taliban bestanden. Der angeordnete Angriff durch zwei US-Kampfflugzeuge habe einem „militärischen Ziel“ gegolten - den Taliban und den Tankwagen. Es wäre nur eine Amtshaftung infrage gekommen, wenn Klein Kenntnis von anwesenden Zivilpersonen gehabt hätte.
Das Urteil sei dem Gericht „sehr schwergefallen“, betonte Richter Sonnenberger. Es habe sich bei einer Entscheidung nicht an Gefühlen zu orientieren, „sondern an Recht und Gesetz zu halten, auch wenn wir damit den Opfern nicht gerecht werden“. Es spiele auch keine Rolle, dass im Nachhinein bekanntgeworden sei, dass sich auch Zivilisten bei den Tankwagen aufgehalten hätten. Das Gericht selbst habe das anhand der Infrarotaufnahmen aus den US-Kampfflugzeugen - die auch Klein übermittelt worden waren - auch nicht beurteilen können, da nur „schwarze Punkte“ zu sehen gewesen seien.
Die Bundesrepublik, vertreten durch das Verteidigungsministerium, hatte die Klage als unzulässig eingestuft, weil die Bundeswehr in Afghanistan in Nato-Strukturen eingebunden sei. Diese Frage ließ das Gericht ungeklärt. Die Bundesregierung war auch nicht zu einer außergerichtlichen Einigung bereit. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden als humanitäre Leistung bereits 90 Mal je 5000 US-Dollar (rund 3800 Euro) an Opferfamilien gezahlt - insgesamt etwa 350 000 Euro.
Im Bonner Prozess hatte ein Vater von zwei mutmaßlich bei der Bombardierung getöteten Söhnen von der Bundesrepublik 40 000 Euro gefordert. Eine Witwe und Mutter von sechs Kindern, die nach Angaben ihrer Anwälte ihren Vater und Ernährer verloren haben, klagte auf eine Unterhaltsentschädigung von 50 000 Euro. Beide Kläger, die auch die Kosten des Verfahrens zu tragen haben, waren zu keinem Prozesstag erschienen.