Das Kanzleramt düpiert den Verteidigungsminister
Kundus-Ausschuss: Bei einem zentralen Gutachten wurde Karl-Theodor zu Guttenberg übergangen.
Berlin. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ließ sich nichts anmerken. Um 8.56 Uhr nahm der Verteidigungsminister am Freitag im Bundestag auf seinem Ministerstuhl in der zweiten Reihe der Regierungsbänke Platz. Auf der Tagesordnung: das Wehrrechtsänderungsgesetz 2010.
Da hatte er längst Kenntnis von der schlagzeilenträchtigen Meldung in der "Bild"-Zeitung. "Hinterging das Kanzleramt zu Guttenberg?", hieß die Frage.
Innerlich muss zu Guttenberg geschäumt haben. Offenbar erstellten Bundeskanzleramt, Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium hinter seinem Rücken ein Gutachten, das direkt seinen Geschäftsbereich betrifft.
Es geht dabei im Ergebnis um nichts weniger als die Frage, ob der Verteidigungsminister in eigener Sache in die Offensive darf - oder eben nicht.
Der Hintergrund: Zu Guttenberg wäre, um Zweifel an seiner eigenen Glaubwürdigkeit zu widerlegen, im Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages zu einer direkten Gegenüberstellung mit Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Ex-Staatssekretär Peter Wichert bereit.
Doch genau dagegen gibt es in der Koalition Vorbehalte, unter anderem auch im Kanzleramt. Noch einen öffentlich ausgeleuchteten Krisenplatz mehr kann die Koalition derzeit nicht gebrauchen.
Guttenberg hatte die beiden Top-Bediensteten Schneiderhan und Wichert Ende November vergangenen Jahres entlassen, angeblich, weil sie ihm wesentliche Informationen über den Hergang des Bombenabwurfs Anfang September 2009 am Kundus-Fluss vorenthalten haben sollen.
Bei dem Luftangriff auf Befehl eines deutschen Oberst kamen bis zu 142 Menschen ums Leben oder wurden verletzt, darunter zahlreiche Taliban, aber eben auch einfache Dorfbewohner.