Kluft zwischen Arm und Reich wird immer tiefer
Davos (dpa) - Einige haben Milliarden, Milliarden haben fast nichts: Die 62 reichsten Menschen besitzen der Hilfsorganisation Oxfam zufolge so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Das sind 3,6 Milliarden Menschen.
Vor einem Jahr habe deren Besitz noch dem Vermögen der 80 Reichsten entsprochen, teilte die internationale Hilfsorganisation vor Beginn des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos am Montag mit.
Zu den Ursachen gehören nach Ansicht der Autoren der Oxfam-Studie eine unzureichende Besteuerung großer Vermögen und Kapitalgewinne sowie Steueroasen, in die Profite weiterhin verschoben werden. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln äußerte sich skeptisch dazu: Mehr Steuergelder würden nicht automatisch bedeuten, dass Arme davon profitieren, sagte IW-Expertin Judith Niehues dem Berliner „Tagesspiegel“ (Montag).
„Das oberste Prozent der Weltbevölkerung verfügt über mehr Vermögen als der Rest der Welt zusammen“, heißt es bei Oxfam unter Bezug auf Analysen des „Wealth Reports 2015“ der Schweizer Bank Credit Suisse. Mit anderen Worten: Rund 70 Millionen Superreiche besitzen demnach mehr als die übrigen rund sieben Milliarden Menschen auf der Erde.
Das Vermögen der 62 Reichsten - davon nur neun Frauen - sei allein in den letzten fünf Jahren um 44 Prozent auf 1,76 Billionen Dollar (1,61 Billionen Euro) gewachsen, heißt es bei Oxfam. Zugleich habe sich das Gesamtvermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung um rund eine Billion US-Dollar verringert. Das sei ein Rückgang um 41 Prozent - obwohl im selben Zeitraum die Weltbevölkerung um 400 Millionen Menschen gewachsen sei.
Die Organisation legt ihren Bericht zur sozialen Entwicklung stets zum Start der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums vor. Dazu kommen vom 20. bis zum 23. Januar im Schweizer Alpenkurort Davos wieder rund 2500 Spitzenpolitiker, Konzernchefs und Wissenschaftler zusammen. Deutschland wird durch Bundespräsident Joachim Gauck sowie Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und weitere Kabinettsmitglieder vertreten sein.
„Wir leben in einer Welt, deren Regeln für die Superreichen gemacht sind“, sagte Tobias Hauschild, der bei Oxfam Deutschland zuständig ist für die Finanzierung von Entwicklungsprojekten. Der Kampf gegen Armut und Krankheiten werde dadurch erschwert. „Nötig ist ein Wirtschafts- und Finanzsystem, vom dem alle profitieren.“
Gewinne sollten allein dort versteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden, fordert Oxfam. Die Politik müsse dafür sorgen, dass Steueroasen trockengelegt werden. Zudem müssten Staaten einen „ruinösen Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze“ beenden und sämtliche Steueranreize transparent machen.
Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht nutzte den Bericht für Kritik an der Bundesregierung: Diese schaue der „immer absurder werdenden Vermögenskonzentration“ untätig zu. „Die Große Koalition hat vor dem Geldadel kapituliert und damit die Interessen von 99 Prozent der Bevölkerung in den Wind geschrieben“, teilte sie mit.
Eine weitere Untersuchung warnte am Montag vor dem Verlust von Millionen Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung. Der Vormarsch der digitalen Welt in den Fabriken und Büros könnte demnach bis 2020 unterm Strich mehr als fünf Millionen Jobs kosten. Diese vierte industrielle Revolution werde in den wichtigsten entwickelten und aufstrebenden Volkswirtschaften rund sieben Millionen herkömmliche Arbeitsplätze überflüssig machen, zugleich aber nur rund zwei Millionen Stellen mit neuem Anforderungsprofil schaffen, heißt es in der am Montag veröffentlichten Studie des Weltwirtschaftsforums.
Sie basiert auf einer Umfrage unter Strategieverantwortlichen und Personalchefs von neun Branchen in 15 Volkswirtschaften - darunter Deutschland, China, die USA, Großbritannien und Japan. Der immer stärkere Einsatz von Robotern und 3-D-Druckern, der Gentechnik und der Bio- sowie der Nanotechnologie werde zu „Umbrüchen nicht nur in den Geschäftsmodellen, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt führen“, auf die Staaten sich besser einstellen müssten.