Mann aus Ruanda in Frankfurt für Kirchen-Massaker verurteilt
Frankfurt/Main (dpa) - Wegen eines Massakers in einer ruandischen Kirche ist ein früherer afrikanischer Bürgermeister in Frankfurt zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Es ist das erste Urteil eines deutschen Gerichts zu einem Massaker während des Völkermordes in Ruanda.
Der Mann habe seine Anhänger 1994 zu dem Blutbad in der Ortschaft Kiziguro aufgestachelt und sich damit der Beihilfe zum Völkermord schuldig gemacht, urteilte das Oberlandesgericht am Dienstag. In Kiziguro waren mindestens 400 Menschen ums Leben gekommen. Manche Zeugen sprechen von mehr als 1000 Toten.
Der 56-Jährige hatte sich seit Januar 2011 ursprünglich wegen Völkermordes zu verantworten. Dafür sah der Staatsschutzsenat in seinem Urteil aber „keine für eine Verurteilung ausreichenden Anhaltspunkte“. Der Mann habe aber die Hinrichtungen in der Kirche beobachtet, den Befehl zum Angriff auf das umstellte Gotteshaus gegeben und auch den Transport der Leichen zu einer nahe gelegenen Grube organisiert, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel. Die Aussagen der Belastungszeugen bezeichnete er als „stimmig und detailreich“.
Das Massaker wurde vor einem deutschen Gericht verhandelt, weil der Angeklagte aus Ruanda geflohen war und 2002 in Hessen Asyl beantragt hatte. Der mit internationalem Haftbefehl aus Ruanda gesuchte Mann wurde nicht ausgeliefert, weil ein faires Strafverfahren in dem Staat als nicht gewährleistet gilt. Bei der Eskalation der Spannungen zwischen den ruandischen Volksgruppen der Hutu und Tutsi waren 1994 bis zu eine Million Menschen getötet worden.
Der Afrikaner nahm das Urteil regungslos auf. In einem der längsten Strafverfahren der hessischen Justizgeschichte hatte er stets seine Unschuld beteuert. Angaben zu seinem Aufenthaltsort während des Kirchen-Massakers hatte er jedoch nicht gemacht. Die Verteidigung kündigte Revision beim Bundesgerichtshof an. Sie hatte einen Freispruch beantragt.
Generalbundesanwalt Harald Range sagte in Karlsruhe, das Urteil gebe „Rückhalt für weitere Verfahren“. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International lobte den Richterspruch. „Das Frankfurter Verfahren hat gezeigt, dass rechtsstaatliche Verfahren wegen schwerer Menschenrechtsverbrechen in Deutschland möglich sind“, sagte der Amnesty-Experte für Völkerstrafrecht, Patrick Kroker.
Das Internationale Auschwitz-Komitee begrüßte das Urteil als „wichtiges Signal“. „Völkermord kennt keine Verjährung und wird immer mehr weltweit verfolgt und geahndet“, hieß es in einer Stellungnahme. Die ruandische Botschafterin in Berlin, Christine Nkulikiyinka, sagte dem „Tagesspiegel“ (Mittwoch), die Überlebenden des Massakers hätten nun „ein Stück Gerechtigkeit erfahren, nachdem sie damals von der ganzen Welt alleingelassen worden sind“.
In Paris sitzt derzeit ein früherer Offizier der ruandischen Armee auf der Anklagebank. In Stuttgart zieht sich der Prozess gegen zwei weitere Männer seit mehr als 200 Verhandlungstagen hin. Sie sollen als Präsident und Vize der ruandischen Rebellenorganisation FDLR von Deutschland aus Mord, Vergewaltigung und Brandschätzung im Kongo mit zu verantworten haben.