Merkel: Nicht nur sparen, auch investieren

Berlin (dpa) - Angesichts des zunehmenden Widerstands gegen ihren Sparkurs will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bis zum EU-Gipfel im Juni eine europäische „Wachstums-Agenda“ vorlegen.

Merkel sagte der „Leipziger Volkszeitung“ (Samstag), sie könne sich unter anderem vorstellen, „dass wir die Möglichkeiten der Europäischen Investitionsbank noch verstärken“.

Mit Blick auf die Forderung des französischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande nach einem Wachstumspaket unterstrich Merkel, mehrere europäische Räte hätten sich bereits konkret mit dem Thema Wachstum beschäftigt. Schon heute könnten Länder die Strukturfonds flexibler nutzen, um mittelständischen Unternehmen zu helfen.

Die SPD fordert einen zusätzlichen Masterplan, um Impulse für Wachstum in Ländern wie Spanien zu setzen. „Nur dann werden sie auf die Beine kommen und ihre Staatsschulden selbst bezahlen können“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag). Mit Blick auf die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Spaniens durch die Ratingagentur Standard & Poor's sagte er, Sparen sei gut, werde aber allein nicht reichen.

Oppermann bekräftigte, die SPD werde dem EU-Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin in Europa nur zustimmen, wenn die schwarz-gelbe Koalition ihre Selbstblockaden auflöse. „Zur Finanzierung des Wachstumspaketes brauchen wir endlich die Finanztransaktionssteuer“, betonte er. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier machte in der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag) deutlich, dass nach seiner Einschätzung die für Ende Mai geplante Abstimmung über den Fiskalpakt nicht mehr zu halten sei.

Merkel will den Pakt aus verfassungsrechtlichen Gründen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschieden lassen und braucht deshalb die Stimmen von SPD und Grünen. Die Opposition verlangt Zugeständnisse, darunter einen Wachstumspakt für die notleidenden EU-Staaten und eine Besteuerung von Finanzmarktgeschäften. Letzteres stößt besonders in der FDP auf Widerstand.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnte vor einem Aufweichen des Fiskalpakts. In der „Welt am Sonntag“ rief er die Regierungen der EU auf, am Sparkurs festzuhalten und die Reformen konsequent umzusetzen, „so schmerzhaft sie für die Menschen auch unbestritten sind“.

Auch Merkel lehnt Neuverhandlungen über den mühsam ausgehandelten Fiskalpakt - wie sie der französische Sozialist Hollande fordert - strikt ab. Der „Leipziger Volkszeitung“ sagte sie, ohne solide Finanzpolitik könne es keine Befreiung aus der Schuldenkrise geben. Aber alleine reiche die Finanzpolitik auch nicht aus, um aus der Krise zu kommen: „Deshalb muss daneben zum zweiten auch eine Politik stehen, die Wachstum und Beschäftigung fördert, die die Staaten wieder wettbewerbsfähig macht, aber nicht wieder ein Wachstum auf Pump.“ Neue staatliche Konjunkturprogramme würden Europa nicht helfen.

Deutschland, Österreich, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande und Schweden (Friends of Better Spending) schlagen vor, bei der Vergabe von Strukturgeldern künftig zielgerichteter auf die länderspezifischen Probleme einzugehen und so die Qualität der Ausgaben zu verbessern. Die Grünen wollen bei der Neuausrichtung der Mittelvergabe die Parlamente eingebunden wissen.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Link (FDP), sagte der „Stuttgarter Zeitung“ (Samstag) dazu ergänzend, bei der Vergabe der Mittel solle stärker darauf geachtet werden, dass die Gelder nur in Wachstumsbereiche fließen. „Nicht eine weitere Autobahn in Südspanien, die von der EU mitfinanziert wird, bringt mehr Wachstum. Nachhaltiger sind Investitionen in duale Ausbildungssysteme.“

Der FDP-Politiker kündigte an, dass im nächsten EU-Haushalt Gelder umgeschichtet werden sollen. Auf diese Weise solle Ländern wie Spanien und Griechenland geholfen werden. Link sagte, dabei gehe es um erhebliche Größenordnungen. Der EU-Haushalt, der 2014 für sieben Jahre aufgestellt wird, belaufe sich auf eine Billion Euro. Davon stünden 40 bis 45 Prozent für Strukturfonds zur Verfügung. „Das gibt die Chance zu einem neuen Wachstumsprogramm.“ Nachgedacht werde auch darüber, die Europäische Investitionsbank (EIB) dafür zu nutzen.