Heftige Kritik Merkel weist eigene Fehler in Spionageaffäre zurück

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eigene Fehler und eine Täuschung der Öffentlichkeit in der Geheimdienstaffäre zurückgewiesen.

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Von den Datenausspähungen des Bundesnachrichtendienstes (BND) unter Partnerstaaten habe sie erst 2015 erfahren, sagte Merkel in siebenstündiger Vernehmung vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags aus. Heute seien solche Praktiken ausgeschlossen. Opposition und SPD zeigten sich enttäuscht. Sie warfen der damaligen Merkel-Regierung vor, die Bevölkerung vor allem im Bundestagswahlkampf 2013 in die Irre geführt zu haben.

Als sie in der Hochphase des Skandals um die Spionage des US-Geheimdiensts NSA gesagt habe: „Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“, habe sie von der eigenen Spionage des BND nichts gewusst, sagte Merkel als letzte Zeugin nach rund dreijähriger Beweiserhebung in dem Gremium aus. „Ich habe keinerlei Anlass gehabt, dass der Satz bei uns seitens des BND nicht eingehalten wurde.“ Die Aufsicht über den BND liegt beim Kanzleramt.

Merkel betonte, sie halte an dem fraglichen Satz fest. Reagiert hatte Merkel damit auf den wahrscheinlichen, aber nicht bewiesenen NSA-Lauschangriff auf ihr Handy. Von den BND-Praktiken habe sie „nichts gewusst, wissen können“. Man sei dann später „auf Dinge gestoßen, die gegen diesen Satz verstoßen“.

Die Datenspionage der NSA war durch Enthüllungen des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden bekannt geworden. Merkel sagte aus, sie habe im Juni 2013 aus den Medien erfahren, dass die NSA „Datensammlungsprogramme“ unterhalte.

Der NSA-Ausschuss leuchtete über Monate intensiv aus, wie der BND der NSA beim massiven Datenabgriff half. Die NSA gab dafür massenhaft Selektoren an den BND, etwa Mailadressen, Telefonnummern oder IP-Adressen zum Ausforschen der Datenströme. Die Empörung über die Affäre flammte erneut auf, als 2015 bekannt wurde, dass der BND auch aus eigenem Antrieb mit Selektoren Daten etwa von Regierungen von Partnerländern ausspähte.

Merkel sagte, sie habe davon vorher nichts gewusst. „Ich habe mich mit den Selektoren im Einzelnen nicht beschäftigt.“ Dann aber habe sie intern Aufklärung verlangt. Schließlich habe es viele „Unzulänglichkeiten“ gegeben, vor allem beim BND, räumte sie ein. „Ich habe sehr klare politische Vorgaben gemacht.“ Defizite seien abgestellt worden. „Ich bin hoffnungsvoll, dass sich die Dinge in Zukunft nicht wiederholen werden.“

Der SPD-Obmann Christian Flisek versuchte, Merkel beim nie zustande gekommenen „No-spy-Abkommen“ aus der Reserve zu locken. Der damalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) hatte im Wahlkampf nach den Snowden-Enthüllungen eine solche Anti-Spionage-Vereinbarung mit den USA als greifbar angekündigt. Flisek kritisierte die Ankündigungen als „Nebelkerzen im Wahlkampf“. Laut Merkel hatte das nichts mit Wahlkampf zu tun.

Die Linke-Obfrau Martina Renner kritisierte Merkels Aussagen als „enttäuschend“. Grünen-Obmann Konstantin von Notz sagte: „Die entscheidenden Probleme können nicht geklärt werden.“ Die Öffentlichkeit sei 2013 kurz vor der Bundestagswahl insbesondere von Pofalla unzutreffend und wahrheitswidrig informiert worden.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hielt Merkel vor, im Fall Snowden nur die „Viertelwahrheit“ zu sagen. Es geht dabei um den Widerstand der Regierung, den NSA-Enthüller Snowden aus seiner russischen Zuflucht nach Deutschland zu holen. Merkel gab als Grund fehlende Asylgründe an. Ströbele warf ihr vor, Snowden aus Rücksichtnahme auf die USA nicht im Land haben zu wollen.

Merkel kündigte ein Festhalten an der geheimdienstlichen Kooperation mit den USA auch unter dem neuen Präsidenten Donald Trump an. „Ich möchte eindeutig sagen, dass ich auch unter der neuen US-Administration davon ausgehe, dass die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit fortgesetzt wird.“